HISTORICAL EXCLUSIV Band 17
hatte. Hanson verdrehte die Augen und fiel wie ein Stein auf den Boden.
Leon, der schwarze Pferdepfleger, kicherte und nahm den Bewusstlosen hoch. Dann warf er ihn wie einen Sack Kartoffeln über den Sattel des Pferdes.
„Immer noch ein Mann mit wenig Worten, wie ich sehe. Aber Sie erledigen Sachen prompt“, sagte er mit einem Lächeln, das von einem Ohr zum anderen ging. „Master Wayne wird darüber gar nicht glücklich sein. Die beiden haben dauernd die Köpfe zusammengesteckt, als wenn sie was Schlimmes aushecken.“
„Mein Bruder hat immer nur eine einzige Sache im Kopf“, erwiderte Rafe und rieb sich die schmerzenden Knöchel. „Und das ist Geld! Ihn interessiert nur, wie man es möglichst leicht in die Finger bekommt und wie man es möglichst schnell ausgibt. Leon, schaff Hanson zum Haupttor, und pass auf, dass er sich nicht wieder nachts zurückschleicht. Du hast meine Erlaubnis, ihn aufzuhalten – mit allen Mitteln, außer, dass du ihn umbringst.“
„Sind Sie nicht ein bisschen unfair Ihrem Bruder gegenüber?“, fragte Shanna, nachdem Leon mit dem bewusstlosen Aufseher weggeritten war. „Schließlich hat er sich um die Plantage gekümmert, seit Sie in den Krieg mussten. Heutzutage, wo Geld so knapp ist, ist das keine leichte Aufgabe.“
„Das Geld ist nicht so knapp, dass er Wildwood derartig verkommen lassen muss.“ Rafe führte Balthazar aus der Box und musterte ihn kritisch. Wie immer hatte Leon den Hengst nach einem Ritt sofort abgerieben. Er war zuverlässig und pflichtbewusst. Weder das ganze wilde Gerede über die Abschaffung der Sklaverei noch der Krieg hatten es geschafft, die Freundschaft zwischen ihm und Leon zu zerstören. Rafe wusste, dass weder sein Vater noch Wayne einverstanden sein würden, wenn er einem Schwarzen eine Machtstellung gab; aber seiner Meinung nach war Leon den Aufgaben eines Aufsehers durchaus gewachsen. Er würde bei seinen eigenen Leuten niemals die brutalen Methoden Hansons anwenden, um sie zur Arbeit anzuhalten und sie zu überzeugen, dass der Weg in den Norden nicht mit Gold gepflastert war und dass sie dort oben von den Leuten, welche ihnen jetzt Freiheit und Gleichheit predigten, auch nicht besser als auf Wildwood behandelt werden würden.
Der Hengst scheute nervös, als er Fremde spürte. Shanna wich schnell vor dem riesigen Tier zurück.
„Streicheln Sie ihn“, sagte Rafe leise. „Er tut Ihnen nichts. Bei Menschen, die er mag, ist er lammfromm.“
„Auch Lämmer können stoßen“, meinte Tante Lea und blieb ein Stück hinter Shanna zurück, als diese näher trat und zaghaft den Kopf des Pferds berührte. „Sei vorsichtig, Kind.“
Balthazar schnupperte an Shannas Fingern. Augenblicklich war ihre Angst verschwunden. Dann blickte sie auf und sah direkt in Rafes Augen. Sofort war wieder eine seltsame Intimität zwischen ihnen da.
Auch Tante Lea spürte das, denn sie runzelte ein wenig die Stirn. Ein gewalttätiger Mann und ein unschuldiges Kind! Niemals konnte daraus ein Paar werden.
„Haben Sie Lust, mit mir auszureiten?“ Die Frage kam so unerwartet, dass Shanna beinahe das Herz stockte. „Mein Zorn hat sich gelegt. Jetzt will ich versuchen, etwas von dem Schaden, den Hanson und mein Bruder angerichtet haben, zu beseitigen. Und wenn Sie den Besitz sehen, werden Sie merken, dass ich keinen Unsinn geredet habe.“
„Es ist schon so lange her, seit ich zum letzten Mal geritten bin“, sagte Shanna. Sie spürte, dass Tante Lea von der Idee keineswegs begeistert war; aber nach einem weiteren Blick auf die hübsche Stute schob sie die Bedenken beiseite. Was konnte schon passieren, wenn sie die Einladung annahm? Es würde gut sein, mit jemandem zu sprechen, der ihr Grauen vor dem Krieg verstand, und eine Zeitlang in Gesellschaft eines Menschen zu verbringen, den sie mochte – ebenso wie Tante Lea. Die Gute hatte ohne Murren ihr grüblerisches Schweigen während der langen Depressionen ertragen. „Ja, ich komme gern mit.“
Ja, Shanna mochte Rafe Amberville. Er weckte zwar in ihr verwirrende Gefühle, doch schließlich war er nur für kurze Zeit auf Wildwood. Wenn er wieder ins Feld ritt, würde er sie bald vergessen haben. Sie konnte ihn für einen Augenblick das Grauen, dem er entronnen war, vergessen lassen – so wie er sie. Beide wollten sie ausspannen und vergessen.
„Geben Sie mir ein paar Minuten, damit ich etwas Passenderes anziehen kann.“
Warum war sie so aufgeregt? Die Antwort wusste Shanna, als sie die Freude in seinen
Weitere Kostenlose Bücher