HISTORICAL EXCLUSIV Band 17
trösten wollte. Aber Sie haben etwas an sich, Shanna de Lancel, so eine ruhige Art, dass ein Mann sich in Ihrer Gesellschaft einfach wohlfühlen muss. Seit Langem war ich nicht mehr so entspannt.“
„Tante Lea hat gesagt, dass ich unter einem Glückszeichen geboren wurde“, meinte Shanna, wegen des Kompliments verlegen. Früher hätte sie kokett den Fächer geschwenkt und es ohne Zögern angenommen. In New Orleans war sie nie ohne Anstandsdame ausgegangen. Sie war schön, die Tochter eines prominenten Mannes und einer Mutter aus ersten Kreisen, außerdem Erbin eines beträchtlichen Vermögens. Sie hatte Zugang zu allen Häusern der vornehmsten Familien und wurde von allen Männern, die sie kennenlernte, als mögliche Heiratskandidatin umschwärmt. Schnell hatte sie gelernt, dass ein gestohlener Kuss oder eine schnelle Zärtlichkeit – wenn die wachsame Tante Lea es nicht sah – keineswegs bedeutete, dass der betreffende Mann sie aufrichtig liebte. Nein, er begehrte sie nur – und ihr beträchtliches Erbe. Manchmal gab sie die Hoffnung auf, jemals eine so tiefe Beziehung zu finden wie die, die sie mit Vater und Bruder teilte. Die meisten Freundinnen waren mit achtzehn schon verheiratet. Auch Robert Dalton, ihr Verlobter; wollte, dass sie heirateten, ehe er in den Krieg zog; aber sie hatte abgelehnt und ihn damit vertröstet, dass der Krieg bald vorbei sei und sie dann ihr Eheleben ohne die dunkle Wolke der Trennung beginnen könnten.
Nach seinem Tod hatte sie sich bittere Vorwürfe deswegen gemacht. Im Lauf der Zeit akzeptierte sie jedoch den wahren Grund ihrer Entscheidung: Sie hatte ihn nicht geliebt. Nicht so, wie sich ihre Eltern liebten. Nicht einmal so, wie sie ihren Bruder James liebte. Shanna suchte nach einer Liebe, welche alle Schwierigkeiten und Stürme des Lebens überdauerte. Eine Liebe auf ewig! Gab es überhaupt eine Erfüllung dieses unmöglichen Traums?
Shanna war ziemlich sicher, dass Rafe Amberville sich bei Frauen nicht mit belanglosen Reden aufhielt. Er sah gut aus und war selbstsicher. Bestimmt holte er sich vom Leben, was er wollte. Er wirkte keinesfalls unentschlossen. Sein Leben war hier auf Wildwood. Nein, die Plantage war sein Leben! Eine verzehrende Leidenschaft, welche kaum Raum für andere Dinge – oder einen anderen Menschen – ließ. Die Frau, die ihn liebte, musste dieses akzeptieren oder riskieren, ihn auf immer zu verlieren.
„Dann gefällt Ihnen also mein Reich?“, fragte Rafe und ließ die Blicke langsam umherschweifen. Entlang des Flusses erstreckten sich die Reisfelder, dahinter meilenweit Baumwolle, welche in der Junisonne aufblühen würde. Es sah nach einer guten Ernte aus, die nach dem Krieg einen großen Wert darstellte – falls die Plantage ihn überlebte.
„Ihr Reich“, wiederholte Shanna leise. „Wo Sie König und oberster Herrscher sind?“
„Ja, wie meine Mutter, ehe sie den Verstand verlor und meinen Vater heiratete.“ Seine Augen folgten dem klaren Wasser, welches den Weg zurückfloss, auf dem sie gekommen waren: vorbei an den Koppeln und Stallungen, den Sklavenquartieren und Baumwolllagerhallen. Auf dem Rückweg wollte er Shanna noch das Räucherhaus, die Getreidescheunen, die Pferde auf den üppig grünen Weiden und die Viehställe zeigen. Und dann zurück zum Haus, wo Erinnerungen und Hass auf ihn warteten.
„Aber warum hat sie ihn denn geheiratet?“, fragte Shanna, obwohl sie Bedenken hatte, in seine schmerzliche Vergangenheit zu dringen. Aber offenbar machte ihm die Frage nichts aus. Sie spürte beinahe Erleichterung, dass er über diese frühen Jahre sprechen konnte – die gleiche Erleichterung, welche sie vor Kurzem in seinen Armen erlebt hatte.
„Nun, ich möchte Ihre zarten Ohren nicht beleidigen.“ Er lächelte ihr beinahe spitzbübisch zu. „Daher sage ich nur so viel: Meine Mutter und mein Vater waren vor der Eheschließung etwas mehr als nur Freunde. Sie war im zweiten Monat schwanger, als er ‚überredet‘ wurde, sie zu heiraten. Das war allerdings nicht allzu schwer, da ihr Vater ein sehr reicher Mann war. Die Heirat wurde kein Erfolg. Mit jedem Tag verschlechterte sich die Situation. Getrennte Zimmer, getrennte Leben. Ich bedeutete für meine Mutter die ganze Welt, und sie für mich ebenso. Aber nun habe ich meine Seele für heute genug erleichtert. Ich habe sie herausgelockt, damit Sie Ihre Sorgen vergessen.“
„Das haben Sie auch erreicht. Sie haben mir klargemacht, dass es noch mehr Leute auf der Welt gibt, die
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