HISTORICAL EXCLUSIV Band 17
Augen las, dass sie seine Einladung annahm.
„Der ist ebenso schlimm wie sein Bruder“, sagte Tante Lea, als sie ins Haus gingen. „Kaum ein paar Stunden zu Hause und schon denkt er, er hätte eine Eroberung gemacht. Du machst eine Dummheit, Kind. Glaube mir.“
Weil Rafe Amberville sie angesehen hatte und ihr mit seinen Blicken vermittelt hatte, dass sie eine begehrenswerte Frau war? Bisher war das keinem Mann gelungen, auch nicht ihrem Verlobten. Nie hatte der junge Robert Dalton derartige Gefühle bei ihr erweckt. Sie waren miteinander aufgewachsen, Spielkameraden, und hatten, ohne Fragen zu stellen, hingenommen, dass beide Familien sie eines Tages verheiratet sehen wollten. Sie hatten diese Tatsache akzeptiert und Freundschaft für Liebe gehalten. Shanna hatte das tiefe Feuer, das wahre Liebe entfachen kann, niemals kennengelernt.
„Nun, was halten Sie jetzt von Wildwood?“, fragte Rafe und zügelte Balthazar am Rand eines Baumwollfeldes. Erwartungsvoll blickte er Shanna an.
Die Sonne hatte ein wenig Farbe auf die Wangen gemalt, die beim Frühstück noch so blass gewesen waren. Shanna sah aus wie kaum achtzehn und nicht wie beinahe einundzwanzig. Allerdings musste er zugeben, dass das eng anliegende Reitkostüm nicht die Formen eines blutjungen Mädchens, sondern die einer überaus reizvollen Frau umschloss. Es war schon Jahre her, seit ihn eine Frau erregt hatte. Niemals hatte es eine Dame seines Herzens gegeben, daher hatte er bisher auch allen Überredungskünsten widerstehen können, vor den Altar zu treten.
Rafe hatte einige kurze Affären gehabt, welche ihn für den Augenblick befriedigten, aber nie banden. Nichts und niemand hatten die Stelle von Wildwood in seinem Herzen einnehmen können. Nur dem Krieg war es gelungen, ihn von dem Einzigen, das ihm im Leben wichtig war, wegzubringen.
Für einen Augenblick erinnerte er sich an die Frau, mit der er die letzte Nacht verbracht hatte, ehe er Wildwood verließ. Jung, schön, erfahren – und verheiratet. Der Gedanke an den Abschied von der Heimat hatte ihn so bedrückt, dass er seine eigene Goldene Regel brach und mit einer verheirateten Frau schlief. Im Vergleich war Shanna de Lancel ein unschuldiger Engel! Und wenn es nach seinem Vater ging, würde sie seinen Bruder ehelichen und die nächste Herrin auf Wildwood sein.
„Ich finde, dass Sie sehr viel Glück haben, Ihr Heim noch zu besitzen“, sagte Shanna und überlegte, warum seine Augen plötzlich so kalt blickten. Obwohl er sie direkt ansah, hatte sie das Gefühl, dass er sie nicht wahrnahm. Er war so in Gedanken verloren, dass sie ihn nicht nach dem Grund fragen wollte. Offenbar schmerzliche Erinnerungen. In ihm steckte nicht nur Jähzorn, sondern eine tiefe schmerzliche Verwundung, die nicht heilte. Wer auch immer ihn verletzt hatte, er sorgte dafür, dass diese Wunde sich nicht schloss.
„Ich vermisse mein Heim sehr, die Plantage, welche wir außerhalb von Baton Rouge hatten“, fuhr sie fort. „Tante Lea und ich flohen dorthin, als der Yankee-General diese hasserfüllte Anordnung erließ. Danach konnte man nicht mehr in New Orleans bleiben. Keine Frau war mehr sicher!“
Auch Rafe war schockiert gewesen über den rohen Befehl an die Truppen der Union, welche New Orleans besetzten. Gegeben hatte ihn Generalmajor Benjamin F. Butler, Militärgouverneur der Stadt.
Der Generalbefehl Nummer Achtundzwanzig, ausgegeben am 15. Mai 1862, besagte, dass jedes weibliche Wesen in der Stadt, welches einen Offizier oder Soldaten der Armee der Vereinigten Staaten durch Worte, Gesten oder Bewegungen beleidigte oder ihm Verachtung bewies, als Prostituierte anzusehen sei, die ihrem Gewerbe nachging, und dementsprechend zu bestrafen sei.
Die Frauen in New Orleans hatten auf die Feinde in ihrer Mitte nicht anders reagiert als alle andere Frauen in der Welt: Sie hatten sie abgewiesen und wie die Pest gemieden. Dafür hatten sie teuer bezahlen müssen.
„Aber die Yankees haben uns dort auch gefunden“, fuhr Shanna schließlich fort. Sie fühlte, dass Rafe wartete, dass sie ihm ihr Herz ausschüttete und dadurch die Bürde, die sie trug, erleichterte. Er drängte sie aber keineswegs. Ruhig holte er eine Zigarre aus der Jackentasche und fragte, ob sie es störe, wenn er rauche. Shanna schüttelte den Kopf. Ihr Vater hatte Pfeife geraucht. Als sie den würzigen Tabakgeruch wahrnahm, wurde ihr schmerzlich bewusst, dass sie nie wieder zu seinen Füßen sitzen und ihm die Pfeife wie früher stopfen
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