HISTORICAL EXCLUSIV Band 17
hatte Sarah gar nicht mehr gedacht, aber jetzt war nicht die Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. „Ich gehe jetzt runter. Bleibt außer Sicht, bis ich euch sage, dass es sicher ist. Wenn ihr mehr Schüsse hört …“ Sie hielt inne und versuchte, ganz ruhig zu werden, „was ihr dann machen sollt, kann ich euch auch nicht raten. Doch sollte mir etwas zustoßen – seht zu, dass ihr die Kinder rettet.“
Faye und Greta nickten und machten eine entschlossene Miene. Bevor sie aller Mut verließ, eilte Sarah aus dem Raum.
Eine offene Treppe führte am anderen Ende des Flurs von einem abgeschlossenen Absatz direkt in den Saloon. Von diesem Absatz aus konnte man unbemerkt auf den Raum unten hinuntersehen.
Sarah hielt den Atem an, als sie den Flur verließ und diese Stelle erreichte. Einige Herzschläge lang sah sie nur geradeaus, um sich gegen das zu wappnen, was sie sehen würde. Langsam und allmählich senkte sie dann den Blick, um ein Schreckensbild in sich aufzunehmen.
Der junge Hilfssheriff – er musste es wohl sein – lag ausgestreckt ungefähr sechs Schritte vom Eingang entfernt mit dem Gesicht auf dem Boden, mit durchschossenem Oberkörper.
Hinter der Bartheke entdeckte sie Smitty in einer Blutlache. Durch die Brillengläser mit dem Drahtgestell starrten seine leblosen Augen hinauf zum Kristalleuchter an der Decke. In der Hand hielt er noch die kleine Pistole, die er immer im Stiefel versteckt getragen hatte.
George, der farbige Klavierspieler, lebte noch. Doch an der Schulter blutete er stark. Gekrümmt sah sie ihn vor seinem Instrument. Er versuchte mit schmerzverzerrtem Gesicht, die Wunde mit einem Taschentuch zu schließen.
Die Kinder … Sarah blickte sich furchtsam um und entdeckte sie in der am weitesten entfernten Ecke, beaufsichtigt von einem der Bankräuber. Sie zählte fünf. Unter ihnen waren auch Isaac, Mattie Ormes kleiner Sohn, und – Sarah stockte der Atem – Varinas kleine rothaarige Katy. Dem Himmel sei Dank: Keinem der Kinder schien bisher etwas zugestoßen zu sein. Bleich vor Scheck kauerten sie wie zusammengetriebene Lämmer beieinander. Einige schluchzten, keines wagte laut zu weinen.
Simeon Dooley saß allein am Pokertisch, mit dem Gesicht zur Bar, und trank mürrisch Whiskey aus einer Flasche. Sein Gewehr und die Satteltaschen lagen auf dem Tisch vor ihm. Der dritte Mann war nirgends zu sehen.
Einen schrecklichen Moment lang betrachtete Sarah die Szene, dann zwang sie sich, die Toten zu vergessen und nur noch an die Kinder zu denken. Sie schloss die Augen und atmete dreimal tief durch, wie sie es vor ihren Bühnenauftritten immer gemacht hatte.
Wenn sie jetzt in Aktion trat, durfte es kein Zögern geben. Denn wenn sie Angst bekam, wären sie und die Kleinen verloren.
Sie öffnete die Augen wieder, setzte ein müdes Lächeln auf und ging die Stufen hinunter. Jetzt gab Sarah Parker die gefährlichste Vorstellung ihres Lebens.
Als sie in Sicht kam, blickte Dooley auf und entdeckte sie. Er griff nach dem Gewehr. „Was zum Teufel …“
Sarah bemühte sich um ein Lächeln. „Was denn! So wahr ich atme und lebe: Ist das nicht Corporal Simeon Dooley?“
Dooley saß vor Verwunderung mit offenem Mund und geweiteten Augen da. Dann fand er seine Stimme wieder.
„Hör zu, Lady, ich bin nicht …“
„Erinnern Sie sich nicht an mich?“ Sarah lachte verführerisch. „Corporal, ich bin enttäuscht, nein, niedergeschmettert, dass Sie mich einfach vergessen haben!“ Sie hatte den Fuß der Treppe erreicht und stolzierte hinüber zu seinem Tisch, wo sie sich, die Hüfte herausfordernd vorgestreckt, vor dem nervösen Dooley aufbaute, um ihm kokett ins Gesicht zu sehen.
„Ich bin’s, Lydia. Lydia Taggert. Bei der Gelegenheit: Sie schulden mir einen Barkeeper.“
Donovan balancierte auf dem Dachfirst, mit einer Hand hielt er einen Nagel, in der anderen den Hammer. Inzwischen war aus ihm ein ganz ordentlicher Zimmermann geworden. Es hatte einige Missgeschicke gegeben und verletzte Finger, aber jetzt konnte er Nägel einschlagen und Hölzer über Eck verbinden wie ein Fachmann. Nur noch wenige Tage, und der neue Raum für Varinas Hütte war fertig.
Lanny Hanks, der junge Zimmermann, den er verpflichtet hatte, hatte letzte Woche einen Job in Central City angenommen. Dank dem, was er von ihm gelernt hatte, kam er jetzt ohne ihn recht gut zurecht. Hilfe war ihm nur zwischendurch von Jamie Trenoweth zuteil geworden. Der hatte einen halben Tag lang Dachschindeln mit festgeklopft
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