HISTORICAL EXCLUSIV Band 17
jetzt unkontrolliert. „Ich dachte, Katy wäre bei mir. Aber sie war es nicht. Und als ich mich umsah, da hatten diese Männer sie und Isaac und Molly …“
Annies schmächtiger Körper wurde von Schluchzern geschüttelt, als sie jetzt in Tränen ausbrach. „Ich hätte sie an der Hand halten sollen. Ich hätte mich nach ihr umsehen müssen …“
Donovan streichelte ihre Schultern und unterdrückte seine eigene Qual. Er wusste genau, was sie meinte. Genauso war es ihm mit Virgil ergangen.
„Daran können wir jetzt nichts ändern, Annie“, murmelte er. „Sag mir, wohin sie Katy und die anderen gebracht haben. Ich verspreche dir, ich gehe dorthin und hole sie wieder.“
„Diese Männer haben sie mit zu Smitty’s genommen. Da wurde geschossen. Ich fürchte mich so, Onkel Donovan. Was, wenn sie sie getötet haben?“
„Schsch!“ Donovan drückte sie kurz fest an sich. „Sei jetzt ein braves Mädchen, und pass auf deine Mutter, Samuel und den kleinen Charlie auf, während ich weg bin, alles klar?“
Annie nickte stumm und biss sich auf die Lippe.
„Komm jetzt.“ Sie gingen in die Hütte, wo Varina schon bleich und schweigend wartete. Donovan kletterte auf den Dachboden, holte seinen Revolver aus dem Versteck unter einigen Decken hervor, steckte sechs Kugeln in die Trommel und befestigte den Waffengürtel an der Hüfte.
Vor dem Ofen saß Varina mit Annie, Samuel und dem Baby im Arm. Sie hielt die Kinder so fest, dass ihre Finger ihnen ins Fleisch drückten. Ihr Blick sagte alles.
„Passt auf euch auf.“ Donovan fasste nach dem Türgriff. „Ich komme mit Katy zurück. Das verspreche ich euch.“
Er ging kurz darauf über die Lichtung. Gleich hinter den Bäumen begann er allerdings zu laufen. Während des ganzen Zickzackweges den Abhang hinunter dachte er über das nach, was Annie erzählt hatte. Böse Männer mit Gewehren. Die hatten was ausgefressen. Sicher hielten sie die Kinder als Geiseln. Hoffentlich blieben sie erst mal im Saloon. Da war die Chance am größten, die Kleinen heil herauszuholen. Der Saloon … Sarah …
Donovan erschrak noch einmal. Wenn sie nicht früher als geplant abgereist war, befand auch sie sich dort und war den drei Gesetzlosen ausgeliefert. Wie eine Tigerin würde sie ihre Schüler verteidigen und dafür zur Not ihr Leben hingeben.
Inzwischen konnte er in die Schlucht sehen, wo die modrige Stadt sich in der Senke zwischen Bächen ausdehnte, in denen man einst Gold waschen konnte. Die schrägen Strahlen der späten Nachmittagssonne fielen auf die Menschen, die zur Hauptstraße strömten, um vor dem Saloon verängstigt in kleinen Gruppen beieinanderzustehen. Keiner von ihnen wusste, was zu tun war. In Miner’s Gulch gab es keinen Gesetzeshüter. Keiner hatte den Mut, es mit drei bewaffneten Desperados aufzunehmen, um deren kostbare Geiseln zu befreien … Keiner außer ihm selbst.
Donovan stürmte den Pfad hinunter und betete inbrünstig. Hoffentlich kam er nicht zu spät, hoffentlich verlor keiner die Nerven und schoss, hoffentlich passierte den Kindern und Sarah nichts.
Sarah befürchtete, dass ihre Beine gleich den Dienst versagten. Sie setzte sich scheinbar lässig auf die Kante eines Stuhls, schlug die Beine übereinander und lächelte Dooley über den Tisch hinweg an.
„Was machen Sie als Nächstes?“, fragte sie und warf den Kopf mit dem gestutzten Haar zurück. „Wer beseitigt diese Schweinerei in meinem Saloon? Und was machen die verdammten Kinder hier drinnen? Ich mag keine Kinder. Sie machen mich nervös.“
Unter halb geschlossenen Lidern sah sie vorsichtig seitwärts zu den Kindern, die sich zusammendrängten. Jedes von ihnen könnte sie Miss Sarah rufen und damit ihre wahre Identität preisgeben. Dann wäre sie gezwungen, sich eine andere, bestimmt weniger glaubwürdige Geschichte auszudenken. Aber die Kinder hingen nur aneinander und guckten groß. Entweder erkannten sie sie nicht, oder sie waren so verstört, dass sie nicht zu sprechen wagten. Der Klavierspieler lag ganz still da, die Augen geschlossen, das Taschentuch gegen die blutende Schulter gepresst.
„Und was ist mit dem alten George da drüben?“, schnauzte sie und zeigte auf den verwundeten Musiker. „Einen Barkeeper finde ich überall. Aber gute Pianisten wachsen nicht auf Bäumen. Ich will, dass sich um ihn gekümmert wird!“
Dooley spielte am Gewehrhahn. Nach und nach legte sich seine Verblüffung, und er begann hässlich zu grinsen. „Miss Lydia Taggert. Ganz schön dreist.
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