HISTORICAL EXCLUSIV Band 17
Ich nehme die Zeitungen wieder mit nach unten.“
„Auf Wildwood gibt es genug zu essen. Wir können es uns leisten, etwas wegzuwerfen“, erklärte Alexander trotzig, schnitt aber ein Stück Kotelett ab. Offenbar war es nicht so übel, doch er wollte es Shanna nicht eingestehen. „Wir werden hier nie Hunger leiden.“
„Und warum braucht Wayne dann mehr Geld?“, fragte sie aufmüpfig.
„Warum? Na, um für die letzte Getreidelieferung vor zwei Wochen zu zahlen. Wir hatten Glück, sie zu bekommen. Eines muss ich dem Jungen lassen: Er hat so seine Kontakte.“
„Die hat er allerdings! Wenn es eine Lieferung gegeben hat, habe ich sie nicht gesehen. Vorgestern haben Abraham und ich im Vorratsraum nachgesehen. Da war praktisch kaum noch etwas Essbares. Ich schicke Ende der Woche Benjamin und Tante Lea nach Savannah und versuche, ein paar Vorräte zu bekommen.“
„Du irrst dich. Das ist doch unmöglich. Wayne sagt, dass wir jede Menge Mais, Mehl, Speck und Bohnen haben und dass er sogar geschmuggelten Brandy besorgen kann, wenn wir den Schwarzmarktpreis bezahlen.“
„Ich bin sicher, dass er das kann.“ Shanna war jetzt mehr als zuvor überzeugt, dass Wayne seinen Vater bestahl. „Bitte, erlauben Sie mir zu helfen. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, aber ich habe selbst Bestellungen bei Ihren Händlern aufgegeben und Anweisung gegeben, dass die Rechnungen direkt an meinen Rechtsanwalt geschickt werden, damit dieser sie für mich begleicht. Menschen arbeiten besser und schneller, wenn sie nicht Hunger leiden und wissen, dass für ihre Familien gesorgt ist.“
„Als Nächstes gibst du wohl den Frauen Vorhänge für die Fenster in ihren Hütten“, sagte Alexander, musste aber lächeln. „Ich bitte dich nicht um Hilfe. Das verstehst du doch, oder? Ich bin jedoch froh, dass jemand mit einem vernünftigen Kopf auf den Schultern sich um Wildwood kümmert. Wayne kommt mir in letzter Zeit so … fern vor. Und ich bin auch keine Hilfe.“ Er schob das Tablett weg. Shanna wusste, dass sie ihn jetzt nicht mehr zwingen konnte, mehr zu essen, daher nahm sie es fort. „Wenn ich nur Rafe eingeholt hätte …“
Sie sank beinahe auf den Stuhl. Hatte er das wirklich gesagt? Wie hatte er sich doch in den vergangenen Monaten verändert. Er war viel dünner und schlecht rasiert, da er sich nur einmal pro Woche rasieren ließ und dann ständig dabei schimpfte. Die erste Woche hatte er im abgedunkelten Zimmer gelegen, bis Shanna schließlich die Vorhänge zurückgezogen, seine Hand genommen und ihm gut zugeredet hatte.
Doch jetzt erwähnte er zum ersten Mal seinen Ältesten und den wilden Ritt, durch den er zum Krüppel geworden war. Geduldig wartete sie, dass er weitersprechen möge.
„Wenn du wartest, dass ich meine Seele vor dir entblöße – vergiss es!“, sagte er mit finsterer Miene. „Du würdest es doch nicht verstehen.“
„Was? Stolz? Sturheit? Nur weil ich als Frau geboren wurde, heißt das nicht, dass ich blind bin oder den Schmerz nicht sehe, den Sie und Rafe einander zufügen, weil Sie beide zu verbohrt sind, zuzugeben, dass Ihr gemeinsames Blut stärker ist als alles andere auf der Welt.“ Shanna ergriff jetzt die Initiative. Wenn sie doch nur Alexander zu dem Eingeständnis bringen könnte, dass ihm Rafe nicht gleichgültig war. Dann konnte Rafe in ein anderes Haus zurückkehren als das, welches er verlassen hatte. Dann würde er auch willkommen sein. „Warum haben Sie ihm nie gesagt, dass Sie ihn lieben?“
„Liebe!“ Alexander lachte verbittert. „Von dieser Schwäche habe ich mich schon vor langer Zeit befreit!“
„Vor oder nach dem Tod von Rafes Mutter?“ Shanna hatte die Frage gestellt, ehe sie nachgedacht hatte. Bei dem folgenden Fluch zuckte sie zusammen.
„Verdammt, Mädchen! Wer gibt dir das Recht, über mich zu urteilen? Was weißt du von Liebe, wo du noch nie mit einem Mann zusammen warst? Oder hat Wayne etwa recht … du und Rafe damals im Stall?“
Shannas Wangen färbten sich tiefrot, als Alexander die Erinnerung an die stürmische Begegnung mit Rafe heraufbeschwor, die sie so mühsam aus ihren Gedanken verbannen wollte. Während des Tages, solange sie beschäftigt war, gelang ihr das auch, aber nachts, wenn sie allein im Bett lag, spürte sie wieder seine Arme und die Wärme seines Körpers. Mehr als einmal war sie eingeschlafen und hatte geträumt, dass seine heißen Küsse auf ihren Lippen brannten.
„Wären Sie froh, wenn es geschehen wäre?“, fragte sie kühn.
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