HISTORICAL EXCLUSIV Band 17
hinaus. Es war noch nicht einmal sieben Uhr, aber schon jetzt war die Hitze zu spüren. Sofort bildeten sich Schweißperlen auf ihrer Stirn.
Der Wagen stand neben der Veranda. Leon, Abraham und einige Feldarbeiter befanden sich daneben. Als Shanna näher kam, stellten sich die Männer in einer Reihe auf, als wollten sie etwas vor ihren Augen verbergen.
„Was ist los?“, rief Shanna. „Was hat Hannah mir nicht gesagt?“
„Wir wissen nicht, was den beiden passiert ist, Miss Shanna“, antwortete Leon bedrückt. Er wusste, wie nahe Shanna der Frau stand, die auch er liebte. Daher wollte er ihr noch mehr Schmerzen ersparen. Aber der durchdringende Blick Shannas sagte ihm, dass er es ihr nicht verheimlichen konnte. Er trat beiseite. Shanna wich entsetzt zurück. Blut war auf dem Sitz. Tante Leas oder Benjamins?
„Wir haben alles abgesucht“, sagte Leon behutsam. „Wirklich alles.“
„Dann sucht weiter! Nimm noch mehr Männer mit! Wir müssen sie finden …“ Shanna war außer sich vor Angst. „Wer würde einer Frau und einem Jungen ein Leid antun?“
Wer? Leon hatte einen bestimmten Verdacht, hielt es aber nicht für klug, ihn auszusprechen – nicht in diesem Augenblick.
„Sie müssen auf dem Heimweg gewesen sein, als es passiert ist, sonst wäre das Pferd früher zurückgekommen. Das heißt, sie hatten die Vorräte, die Sie bestellt hatten.“
„Und Geld“, flüsterte Shanna. Oh mein Gott! Sie hatte Tante Lea in Gefahr gebracht, weil sie sie gebeten hatte, Geld mitzubringen. Hatte jemand sie beim Verlassen der Bank oder beim Bezahlen der Waren gesehen und war ihr gefolgt …? „Bitte, Leon, sucht weiter nach den beiden. Findet sie!“
„Ich tue mein Bestes, Miss Shanna“, versprach Leon. Er kannte nur eine Person, welche die beiden aus dem Weg haben wollte, und dieser Mensch stand stumm auf der Veranda und hörte alles mit.
Als Leon einen anklagenden Blick zu Wayne hinüberschickte, zuckte dieser nur mit den Schultern, um zu zeigen, dass er keine Ahnung hatte, was geschehen sein könnte. „Was soll denn der Lärm so früh am Morgen?“
„Tante Lea und Benjamin sind verschwunden.“ Langsam drehte Shanna sich zu ihm um. Sie war immer noch betäubt. „Der Wagen ist ohne sie und die Vorräte zurückgekommen, die sie holen sollten.“
„Da hast du doch deine Antwort. Die Straßen sind heutzutage nicht sicher. Natürlich Deserteure! Erst vorige Woche ist der alte Fielding von drei dieser Schurken in seinem eigenen Haus ausgeraubt worden. Sie haben ihm mit einem Pistolenkolben beinahe den Schädel zertrümmert. Die beiden siehst du nie wieder – jedenfalls nicht lebendig – und …“ Er brach ab, weil er fürchtete, bereits zu viel gesagt zu haben. Aber Shanna war zu benommen, um das Eingeständnis der Schuld in seinen letzten Worten zu hören.
Leon jedoch nicht. Seine Augen verengten sich gefährlich, als er in Waynes Gesicht starrte. Deserteure? Möglich. Seiner Meinung nach waren die Schuldigen sehr viel näher zu suchen.
„Du musst auch die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass die beiden weggelaufen sind“, meinte Wayne.
„Niemals!“, erklärte Shanna fest.
„Na ja, Benjamin hat an nichts anderes gedacht, seit Vater seinen älteren Bruder ausgepeitscht und verkauft hat. Er hat es hier gehasst – uns gehasst. Er würde jede Chance wahrnehmen, wegzulaufen …“
„Aber Tante Lea nicht“, fiel Leon ihm ins Wort. „Wir waren uns … einig. Sie würde nie Miss Shanna oder mich verlassen, und mein Bruder hätte sie nie allein zurückfahren lassen. Er würde sie mit dem eigenen Leben beschützen.“
Genau das hat er wohl getan, befürchtete Leon.
Eine Woche verstrich. Sieben lange Tage und sieben lange, quälende Nächte ohne Schlaf, bis Leon wieder von einer Suche zurückkam. Diesmal trug er den leblosen Körper seines Bruders auf den Armen. Das Gesicht des Jungen hatte er mit dem Hemd verhüllt. Er ließ nicht zu, dass Shanna einen Blick darauf warf. Bejamin war zu Tode geprügelt worden. Sein Gesicht sei kaum zu erkennen, erklärte er ihr. Danach hatte man ihn in einem flachen Grab verscharrt, das einer der Hunde gefunden hatte, die er mitgenommen hatte. Von Tante Lea war immer noch keine Spur. Sie hatten auch kein zweites Grab entdeckt.
Noch am selben Abend betteten sie Benjamin an einer stillen Stelle beim Fluss zur Ruhe. Viele Frauen weinten. Die Männer standen stumm und finster dreinschauend da, so ganz anders als die Neger, mit denen Shanna in letzter Zeit zu tun
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