HISTORICAL EXCLUSIV Band 21
Mann, der gerade wieder lachte, tatsächlich ein weiterer Kunde war, hoffte Belle, dass er eine der anderen Frauen und nicht sie verlangte. Sie wollte gerade die Tür zu ihrer kleinen Kammer schließen, als sie ein anderes Geräusch hörte – das Klingen von herabfallenden Münzen.
Es hielt erstaunlich lange an, und vor Belles innerem Auge stiegen sogleich Bilder von Geld und Flucht auf. Wie magisch angezogen schlich sie zu Severns Zimmertür, wobei ihre bloßen Füße auf den Fußbodenbrettern keinerlei Geräusch machten. Prahlte Severn etwa vor dem Gast mit seinem Reichtum? Und wer war der andere Mann überhaupt? Es war sehr gefährlich, in diesem Viertel der Stadt mit seinem Geld anzugeben. Selbst diejenigen, die behaupteten, Freunde zu sein, zögerten meist nicht, einem Mann den Dolch in die Brust zu stoßen, wenn sie sich dadurch ein Zwanzigdollar-Goldstück – oder auch weniger – aneignen konnten.
Die Tür war nicht ganz geschlossen, sondern nur angelehnt. Der schmale Spalt war gerade breit genug, um Belle einen Blick in den von Gaslicht erhellten Raum zu gewähren.
Severn saß am Tisch und war gerade dabei, die letzten Goldmünzen, die noch vor ihm lagen, in ein Säckchen aus grober Jute zu schieben. Als er damit fertig war, reichte er den Beutel dem Mann gegenüber und nahm stattdessen ein Glas Whiskey in Empfang. Seine große, schlaksige Gestalt wirkte entspannt, sodass man kaum vermutet hätte, welche Kraft dieser Mann in Wahrheit besaß. Während Belle neugierig ins Zimmer spitzte, hob Severn sein Glas und prostete seinem Besucher zu. „Auf eine weitere erfolgreiche Nacht!“, verkündete er.
„Du feierst zu früh, mein Freund“, sagte der andere Mann.
Auch wenn ihr der schmale Spalt nur gestattete, eine Schulter und den Hinterkopf des Fremden zu sehen, war sich Belle doch sicher, seine Stimme zu kennen. Aber im Moment konnte sie den Gast noch nicht einem bestimmten Gesicht oder Namen zuordnen.
„Und du feierst viel zu selten“, entgegnete Severn. „Wann fängst du endlich damit an, deinen Erfolg zu genießen?“
„Erst wenn ich wirklich ein Vermögen verdient habe“, murmelte der Fremde. Er stand auf. „Wenn ich unvernünftig viel ausgäbe, würde sich das Blatt gegen mich wenden. Und du weißt, Karl, dass mir das gerade jetzt nicht gefiele.“
„Gehst du schon?“, fragte Severn.
„Ich muss“, erwiderte sein Gast und drehte sich ein wenig zur Tür hin.
Belle stockte vor Verblüffung der Atem, als sie ihn erkannte. Beinahe hätte sie seinen Namen laut ausgerufen, so überrascht war sie. Ihr blieb gerade noch Zeit, sich lautlos zurückzuziehen, ehe die Tür zu Severns Zimmer weiter geöffnet wurde.
Mit klopfendem Herzen warf Belle noch einen letzten Blick in den dunklen Hausgang, bevor sie in ihrer Kammer verschwand. Eine Holzplanke knarzte unter ihrem leichten Schritt.
Der geheimnisvolle Mann am anderen Ende des Flurs drehte sich rasch um, als er das leise Geräusch vernahm. Er erblickte noch den Zipfel eines Rocks, ehe Belle die Tür geschlossen hatte und sich zitternd dagegenlehnte.
So sah sie nicht, dass der Fremde Severn schweigend ein Zeichen gab, bevor er im nächtlichen Nebel verschwand.
1. KAPITEL
Lillith Renfrew runzelte finster die Stirn, als sie dem Droschkenkutscher den geforderten Betrag reichte. Er war wesentlich höher als das, was sie früher für die gleiche Fahrt von ihrem Zuhause in der Franklin Street bis hierher bezahlt hatte. Aber ihr blieb nichts anderes übrig, als dem Mann die Summe auszuhändigen. Sie hatte keine Zeit, wie ein Fischweib zu feilschen, denn als sie einen Blick auf ihre zierliche Taschenuhr warf, stellte sie fest, dass sie für ihr Treffen mit Belle Tauber bereits spät dran war.
Der Kutscher steckte schweigend die Münze in die Jackentasche.
„Sie kommen doch wie vereinbart in einer Stunde zurück?“, fragte Lilly und hob ihre Ausrüstung aus dem Gefährt. Nachdem sie sich ihre zwei Taschen, in denen sich fotografische Platten und Fotografien befanden, kreuzweise über die Brust gehängt hatte, schulterte sie die schwere Kamera mit dem sperrigen Stativ.
„Verlassen Sie sich darauf!“, rief ihr der Kutscher zu und fuhr eilig davon. Lilly war sich sicher, dass sie ihn nie mehr wiedersehen würde. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie von einem Droschkenfahrer allein in Barbary Coast zurückgelassen wurde. Manche Männer dachten sich eben überhaupt nichts dabei, eine anständige junge Dame im schlimmsten Viertel San Franciscos
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