HISTORICAL EXCLUSIV Band 21
Eifer“, sagte er undeutlich.
Doch Lilly hatte seine Bemerkung durchaus verstanden. Sie richtete sich kerzengerade auf. „Sie sollten wissen, Mr. Galloway, dass meine Aufnahmen den Frauen und Kindern des Viertels wenigstens für kurze Zeit eine kleine Freude machen.“
„Verzeihen Sie mir, wenn ich Sie verletzt habe, meine Liebe. Ich habe leider zu viele schlechte Erfahrungen mit Menschen gemacht, die es angeblich nur gut meinten. Wahrscheinlich bin ich zu abgebrüht.“
„Vielleicht sind Sie das, Sir“, entgegnete Lilly scharf.
„Und vielleicht verfolgen Sie noch ein zweites Ziel mit den Fotografien“, meinte Deegan. „Wie zum Beispiel das, sie zu veröffentlichen, um auch andere Menschen auf das Schicksal dieser Leute aufmerksam zu machen.“
Sie hatte tatsächlich bereits daran gedacht. Ihr Bruder Edmund schrieb kurze Zeitungsreportagen über dieses Viertel. Erst seine Berichte hatten sie darauf gebracht, hierherzukommen.
„Glauben Sie, dass es etwas nützen könnte, Mr. Galloway? Es sind nicht nur der Schmutz und die Sünde, die hier tagein, tagaus den Menschen zu schaffen machen. Es ist auch die schreckliche Hoffnungslosigkeit.“
„Das ist nur allzu wahr, meine Liebe“, mischte sich Hannah ein.
„Die Aufnahmen, die ich gemacht habe, sind allerdings im Augenblick völlig unwichtig“, fuhr Lilly fort. „Dieser Mann hat Belle Tauber ermordet.“
„Vielleicht“, sagte Deegan ruhig. „Aber Mord ist hier fast so alltäglich wie der Schmutz in den Gassen, Miss Renfrew. Wenn Belle tatsächlich so ums Leben gekommen ist, dann sollten wir ihre Seele in Frieden ruhen lassen. Es wird ihr im Jenseits auf jeden Fall besser als hier ergehen.“
„Nein!“, widersprach Lilly heftig. „Das ist nicht wahr. Sie …“ Sie atmete tief durch, um sich zu beruhigen. „An Belle wurde ein Verbrechen verübt. Man muss ihren Mörder fassen und ihn für seine Untat bestrafen.“
„Das mag in Ihrer Welt selbstverständlich sein“, sagte Hannah leise. „In meiner ist es das nicht.“
Mrs. McMillans resignierte Haltung entsetzte Lilly zutiefst. Wieder wandte sie sich an Deegan. „Sie werden doch eine solche Einstellung nicht gutheißen können, Sir.“
Er zuckte lässig die Schultern. „Wie wollen wir beide das beurteilen können, Miss Renfrew?“, fragte er. „Wir sind nur Besucher hier. Woher wollen wir wissen, dass Hannah nicht recht hat?“
„Wir wissen es, weil es Gesetze gibt, Mr. Galloway.“
„Bürgerliche Gesetze“, stimmte er ihr zu. Er nahm sie am Ellbogen und führte sie zum Fenster, um ihr die bedrückende Gasse vor dem Haus zu zeigen. „Wollen Sie tatsächlich behaupten, wir befinden uns hier in einer Gegend, in der bürgerliche Gesetze Gültigkeit haben?“
Lilly sah vor ihrem inneren Auge die Frauen und Kinder, die sie fotografiert hatte.
„Da draußen ist eine Wildnis, Miss Renfrew. Nur die Starken überleben, und das auch nur, wenn sie Glück haben“, fuhr Deegan fort.
Vielleicht stimmte alles, was er sagte. Aber war sie nicht gerade deshalb hierhergekommen, damit auch diesen Menschen ein wenig Gerechtigkeit widerfuhr?
„Das Gesetz gilt für jedermann“, erklärte sie entschlossen.
„Ist es wirklich so? Oder wollen Sie einfach nur Vergeltung für den Mord an Belle üben, können das aber allein nicht tun?“
Diese Beschuldigung verletzte Lilly. Sie wurde rot vor Zorn. Teilweise hatte Mr. Galloway mit seiner Behauptung natürlich recht, aber waren nicht gerade deshalb Gesetze geschaffen worden?
Es verblüffte sie, dass er so leicht zu erraten schien, was in ihr vorging. Wäre es doch auch ihr möglich, seine Gedanken ebenso mühelos zu lesen! Aber das konnte sie nicht – zumindest noch nicht und vielleicht auch niemals.
„Ich mochte Belle“, sagte sie. „Sie tat mir leid. Ich hätte ihr geholfen, Barbary Coast zu verlassen, wenn es in meiner Macht gestanden hätte. Aber ich war dazu nicht in der Lage, und jetzt ist sie tot. Natürlich weiß ich, dass die Bestrafung ihres Mörders Belle nicht ins Leben zurückbringen kann. Aber man darf nicht zulassen, dass er mit einem solchen Verbrechen davonkommt. Wenn ich nichts unternehme und er eine andere wehrlose Frau umbringt, hätte ich das Gefühl, dass ihr Blut an meinen Händen klebt.“
Deegan lächelte ironisch. „Ja, das kann ich mir bei Ihnen gut vorstellen“, meinte er. „Also gut. Obwohl ich bezweifle, dass es viel bewirken wird, werde ich mich darum kümmern, dass Sie sicher zur Gendarmerie gelangen.“
Er
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