HISTORICAL EXCLUSIV Band 21
vorbeigeschaut hatte. „Das freut mich.“
„Wirklich?“, hatte er überrascht gefragt. „Nun, du liegst aber völlig falsch.“
„So?“ Sie lächelte zufrieden.
„Ich mag sie.“
„Sie ist gut für dich.“
„Du meinst wohl zu gut für mich.“
„Vielleicht“, gab Hannah zu. „Trotzdem freue ich mich für dich, Digger. Pass auf sie auf.“
Das hatte er versucht, seitdem sie ihm blindlings in die Arme gelaufen war. Aber verliebt war er bestimmt nicht in sie.
Was er spürte, war ganz einfach Lust. Wilde, unbändige Lust. Das musste alles sein. Er war es nicht wert, zu lieben oder geliebt zu werden – selbst wenn Lilly ihre Gefühle so für ihn beschrieben hätte, wenn man sie gefragt hätte. Er hatte es in ihren leuchtenden Augen gesehen und an jeder ihrer wunderbaren Liebkosungen gespürt. Aber sie war auch ein behütetes Mädchen, während er ein müder Weltenwanderer geworden war, für den Romantik ein Fremdwort bedeutete. Nein, es war Lust. Eine mächtige, atemberaubende Lust.
Wenn er ein ehrenwerter Mann wäre, würde er nun die Zeit nutzen, seine Geschäfte in Ordnung zu bringen und Lillys Vater darzulegen, welche Zukunftsaussichten er hatte. Er würde zeigen, dass er es wert war, ihr den Hof zu machen. Aber Deegan war kein ehrenwerter Mann, besaß kein Geschäft und deshalb keine Zukunftsaussichten. Seine Lage hatte ihn bisher nie gestört und ihm bis jetzt noch nie das Gefühl gegeben, etwas überaus Wichtiges zu versäumen.
Als Winona ihn abgewiesen hatte, war er einfach in die nächste Bar marschiert, hatte sich eine Flasche bestellt und eine Hure gesucht. Später war eine weitere Flasche hinzugekommen und dann noch eine. Für einen Mann, der wenig trank, hatte er seitdem erstaunlich viele Flaschen geleert und damit versucht, seine Stimmung zu heben. Oder sich einzureden, dass es ihm gleichgültig sei.
Doch diesmal war es ihm bestimmt nicht gleichgültig. So viel Alkohol gab es wohl gar nicht, um den Schmerz zu betäuben, wenn es einmal so weit war, dass er Lilly aufgeben musste.
Rasch verdrängte Deegan diese bedrückende Vorstellung. Er wollte gerade das Gebäude betreten, wo er ein paar Räume für „Blackhawk Enterprises“ angemietet hatte, als er eine ihm bekannte weibliche Gestalt erblickte, die eben ein Geschäft ein paar Häuser weiter verließ.
Lilly.
Am Arm trug sie einen Korb, in dem ihre Einkäufe verstaut waren. Wahrscheinlich einiges modisches Zubehör, das sie bei dem Empfang bei den Abbots hübscher machen soll, dachte er. Dabei könnte sie das tragen, was sie gerade anhatte – einen grauen Rock, einen dicken Mantel und einen schmucklosen Hut –, und sie würde die anderen Frauen noch immer in den Schatten stellen. Vielleicht hatten die Damen der Gesellschaft modischere Kleider und Gesichter, aber keine besaß die seltene Mischung aus wahrer Güte und unglaublicher Leidenschaft, wie Lilly sie hatte. Zum Teufel mit diesen ganzen Ballkleidern. Er würde sich stets an ihren braven Morgenmantel und ihr Nachtgewand erinnern. Und daran, wie wenig brav sie in seinen Armen gewesen war.
Lilly zog die Ladentür hinter sich zu und ging die Straße entlang, wobei sie hin und wieder in die Auslagen der Schaufenster blickte. Er überlegte sich kurz, ihr nachzueilen und seinen Besuch im Büro auf einen anderen Tag zu verschieben.
Da kam eine schäbige Droschke an ihm vorbei, die langsamer wurde und allmählich neben Lilly zum Stehen kam. Jeglicher Gedanke an die Geschäfte seines Freundes war verschwunden, als zwei Männer aus der Kutsche sprangen und rasch hinter Lilly hereilten.
Deegan fluchte und stürzte ihnen nach. Sein Herz pochte dabei so heftig, dass er es fast zu hören glaubte.
Lilly drehte sich um, als ob sie auf einen Ruf der Männer hinter ihr reagierte. Da sah sie die Kerle und rannte los. Die Spitze aus ihrem Korb fiel auf die Straße und blieb im Rinnstein liegen. Die Männer kamen immer näher, während ihnen die Kutsche folgte. Schließlich hatten sie ihr Opfer eingeholt und packten es von beiden Seiten an den Armen. Sie zerrten Lilly zur Droschke, stießen sie ins Innere und sprangen ebenfalls hinein. Dann gab der Fahrer den Pferden die Peitsche, und sie fuhren donnernd los. Die vorübergehenden Fußgänger sprangen entsetzt zur Seite. Doch schien keiner von ihnen bemerkt zu haben, dass vor ihren Augen soeben eine Entführung stattgefunden hatte.
Deegan rannte einige Schritte hinter der Kutsche her, ehe ihm klar wurde, dass es sinnlos war. Er durfte
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