HISTORICAL EXCLUSIV Band 21
seine Freunde aufgeregt durcheinanderriefen. Hände fassten nach Deegans Hosenbeinen und zogen daran, sodass seine Aufmerksamkeit für einen Moment abgelenkt war. Als er wieder auf die Kutsche vor ihm blickte, sah er, dass Lilly mit dem Gesicht nach unten auf der Straße lag.
Er holte eine Handvoll Münzen aus der Hosentasche und warf sie den Männern und Frauen, die an seiner Kleidung zogen, zu. Gierig griffen sie danach und machten ihm so den Weg frei. Er sprang vom Kutschbock und traf so ungünstig auf, dass er mit dem Fuß umknickte. Doch er bemerkte den Schmerz kaum. Kopflos stürzte er auf die zwei unbekannten Männer zu, die gerade dabei waren, Lilly vom Boden hochzuziehen.
Sie zeigte sich als eine ausgesprochen widerspenstige Gefangene. Wie eine Wilde trat sie um sich und versuchte, sich aus dem Griff ihrer Entführer zu entwinden. Doch trotz ihres Bemühens gelang es ihnen, sie zu einem Hauseingang zu zerren. In diesem Moment stürzte sich Deegan auf sie und brachte sowohl Lilly als auch die Kerle zu Fall. Ein gut gezielter Hieb setzte einen der Burschen außer Gefecht, als er sich gerade wieder erheben wollte. Er fiel auf seinen Partner und begrub ihn für einen kurzen Augenblick unter sich.
Hague saß noch immer auf dem Kutschbock und hielt die Zügel in der einen Hand, während er mit der anderen nach seiner Pistole griff. Deegan hoffte, dass sein alter Freund in den letzten Jahren nicht besser zu schießen gelernt hatte. Er packte Lilly am Arm und stieß sie vor sich über die Straße in einen schmalen Durchgang. Wenn es sich nur nicht um eine Sackgasse handelte und sie hier ihren Tod finden würden …
Lilly war klug genug, keinen Atem darauf zu verschwenden, ihm für ihre Rettung zu danken. Sie hob den Rock und rannte, so schnell sie konnte, vor ihm her, wobei sie ihn an der Hand hielt.
Er warf einen raschen Blick über die Schulter zurück. Einer der Männer hatte sich inzwischen erhoben und lief schwankend hinter ihnen her. Der Entführer brüllte Hague Pickering, der mit der Pistole in der Hand den Fliehenden hinterhersah, einen Befehl zu. Hague zielte und drückte ab. Der Schuss erschreckte die Pferde so sehr, dass sie einen Satz nach vorn taten und Hague dabei nach hinten fiel.
Doch auch Deegan stolperte und stürzte, wobei er Lilly losließ. Benommen hörte er, wie Severns Handlanger immer näher kam. Er holte seine kleine Duellpistole hervor und schoss.
Lilly fuhr herum. Der Widerhall des zweiten Schusses dröhnte ihr in den Ohren, während ihr der Gestank des Schießpulvers in die Nase stieg. Der Aggressivere ihrer Entführer stürzte auf den Boden, und seine weiße Hemdbrust war in Sekundenschnelle mit Blut durchtränkt. Das Geräusch rascher Schritte warnte sie, dass die Jagd noch nicht zu Ende war.
Aber Deegan vermochte nicht mehr mitzuhalten.
Seine bis vor Kurzem noch makellose Jacke und Hose waren mit dem verspritzten Blut des Mannes besudelt. Erstaunt stellte sie fest, dass er plötzlich wieder Koteletten und Bart trug. Und dann bemerkte sie, dass er nicht nur gestürzt, sondern auch angeschossen war.
Er versuchte aufzustehen. Dabei presste er die Hand auf seinen Oberschenkel, aus dem Blut heraussickerte. „Lauf! Lauf! “, drängte er Lilly.
Aber sie konnte es nicht. Nicht ohne Deegan.
Rasch stürzte sie zu ihm, glitt unter seinen Arm, um ihn zu stützen, und legte ihm einen Arm um die Taille. „Wir fliehen zusammen“, sagte sie entschlossen.
Halb stolpernd, halb rennend schafften sie es bis zum Ende der Gasse, die in die geschäftige Clay Street mündete. Der Mann, der ihnen folgte, war nur ein paar Fuß hinter ihnen, unternahm aber keinen Versuch, auf sie zu schießen. Lilly fragte sich, ob er wohl darauf wartete, sie mit einem einzigen Schuss erledigen zu können. Die Clay Street war breit genug, um ihm freie Bahn zu gewähren. Dort konnte er sie vor einem Dutzend Zeugen erschießen und dann mühelos in einer der vielen Gassen verschwinden.
Diese Gelegenheit durfte er nicht bekommen.
Entschlossen stieß sie den verletzten Deegan am Ende der Gasse nach rechts. Dann verschränkte sie ihre Hände ineinander und drehte sich um. Sie holte aus und traf den Verfolger, der nun aufgeholt hatte, mit voller Wucht mitten ins Gesicht. Er stürzte überrascht zu Boden. Noch nie war sie so dankbar für ihre Größe und ihre Kraft gewesen wie in diesem Augenblick. Ihre Hände schmerzten sie zwar, und ihre Arme fühlten sich wie gelähmt an. Doch sie stand noch immer fest auf den
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