HISTORICAL EXCLUSIV Band 21
bereits gedacht, dass ich ihn schon einmal gesehen habe“, sagte sie. „Und ich hatte vermutet, ein Bild von ihm gemacht zu haben, ohne es zu wissen, während ich mich in Barbary Coast aufhielt. Auf diesen Aufnahmen sieht man des Öfteren Leute, die eigentlich gar nicht darauf gehören. Aber niemals hätte ich erwartet, dass mein Bruder Severn kennen könnte.“
Marianne gab ihr die Fotografie zurück. „Haben Sie sich deshalb dazu entschlossen, Deegan und nicht Minos davon zu erzählen?“
Lilly überraschte es, dass Marianne Edmund bei seinem Pseudonym nannte. Aber sie nickte. „Ja. Ursprünglich dachte ich, die Nachforschungen, die mein Bruder als Minos anstellt, könnten helfen, auch Belles Mörder zu stellen. Doch leider musste ich feststellen, dass er mehr an meiner Sicherheit als an Gerechtigkeit interessiert ist. Anscheinend will er nichts damit zu tun haben. Es ist ihm gleichgültig, wer an Belles Tod die Schuld trägt, und er will auch keine Beweise sammeln, die zu Severns Verhaftung führen könnten.“
Da es ihr ein bisschen unangenehm war, zugeben zu müssen, dass ihr Bruder alles andere als ein Held war, senkte Lilly den Blick und spielte nervös mit dem Bild in ihren Händen. „Anstatt mich einer weiteren Predigt auszusetzen, entschloss ich mich, das Foto Deegan zu geben. Aber da er nicht hier ist, weiß ich nicht, was ich tun soll. Ich war mir so sicher, dass er mit seiner Verletzung nirgendwo anders hingehen würde. Er ist doch nicht schon wieder in seinem Hotel?“
„Nein“, beruhigte Marianne sie. „Das ist er nicht. Er wollte eine alte Freundin aufsuchen, der er vertraut und bei der er eine Weile bleiben kann.“
„Meinen Sie Mrs. McMillan?“
Ihre Gastgeberin lächelte. „Ich vermute, dass sie auch etwas mit Ihrem Abenteuer zu tun hat?“
„Sie half mir, mich zu verkleiden, um nicht Severn in die Arme zu laufen“, erklärte Lilly und dachte einen Moment nach. „Ich kann nicht allein zu ihr gehen. Nicht nur lebt Hannah in Barbary Coast, ich befürchte auch, dass ein Mann mir gefolgt ist, der nun draußen vor dem Haus steht und auf mich wartet.“
Die Abbots sahen sich an. Pierce ging zum Fenster und zog den Vorhang ein wenig beiseite, um unauffällig hinausspähen zu können. „Miss Renfrew hat recht“, verkündete er. „Dort steht tatsächlich ein Mann.“
„Gehört er zu den unseren?“, fragte sein Vater.
Pierce ließ den Vorhang fallen und lächelte. „Ja.“
Lilly blickte die beiden Männer überrascht an. „Sie ließen mich verfolgen?“
„ Bewachen scheint mir das zutreffendere Wort zu sein, meine Liebe“, entgegnete Marianne. „Deegan wollte ein paar Detektive der ‚Pinkerton Agency‘ anheuern, doch ich hielt es für besser, einige unserer Schiffsoffiziere zu bitten, ein Auge auf Sie zu werfen. Unsere Männer werden Severn bestimmt nicht bekannt sein. Außerdem sind sie nicht nur loyal, sondern auch durchaus krisenerprobt.“
„Ganz abgesehen davon, dass sie für jeden Faustkampf gewappnet sind“, fügte Pierce hinzu.
Benjamin lachte. „Als man ihnen sagte, dass Sie eine junge Frau beschützen sollten, waren sie gleich Feuer und Flamme für ihre Aufgabe.“
„Wir könnten jemanden bitten, die Fotografie zu Mrs. McMillan zu bringen, damit Deegan sie so schnell wie möglich zu sehen bekommt“, schlug seine Frau vor.
„Das könnten wir“, entgegnete er. „Wenn wir wüssten, wo sie wohnt.“
Marianne lächelte selbstzufrieden. „Ich glaube, ich kenne die Adresse. Vermutlich ist es dieselbe Wohnung, in der Deegan diesen Magnus Finley treffen will.“
Wer ist Magnus Finley?, überlegte Lilly. Es war anscheinend jemand, den die Abbots kannten, denn sowohl Vater als auch Sohn nickten zustimmend, als der Name des Mannes fiel.
„Aber wenn es Miss Renfrew ähnlich ergeht, wie es mir in einer solchen Situation ergehen würde, wird sie nicht damit zufrieden sein, diese Aufgabe uns zu überlassen.“ Marianne sah Lilly mit einem durchdringenden Blick an, der bis in ihr Herz zu schauen schien.
„Sie möchten ihn sehen, nicht wahr, meine Liebe?“, fragte sie sanft. „Sie wollen wissen, ob es ihm gut geht.“
Ihre Gastgeberin hatte natürlich recht. Die Fotografie war nicht viel mehr als eine Ausrede gewesen, Deegan aufsuchen zu können. Schließlich wusste er, wie Karl Severn aussah, und vermutlich bestand auch gar keine Verbindung zwischen dem Mann, der er jetzt war, und der Zeit, in der er als Reporter für die Zeitung gearbeitet hatte.
Lilly
Weitere Kostenlose Bücher