HISTORICAL EXCLUSIV Band 21
Georgianas Sicherheit besorgt schien.
Falls er einmal eine Tochter haben sollte, so würde er sich besser um sie kümmern, das schwor sich Ashdowne. Überraschenderweise erschien ihm die Vorstellung, Kinder zu haben, nicht mehr so abwegig, wie dies einmal der Fall gewesen war. Er sah pausbäckige Mädchen mit blonden Locken vor seinem inneren Auge, die auf dem Rasen vor dem Anwesen seiner Familie herumtollten, und lächelte unwillkürlich. Entschlossen ignorierte er die ihm sehr vertraute innere Stimme, die ihn warnte.
Er half Georgiana in die wartende Kutsche und stieg dann neben ihr ein. Es bedeutete eine große Erleichterung für ihn, dass er diesen Vormittag nicht vor der Bleibe des Vikars verbringen musste. Das Vergnügen, die verführerische Detektivin ganz für sich zu haben, hatte von ihm Besitz ergriffen, auch wenn er sein Bestes tat, um es zu bezähmen.
Es stellte sich schnell heraus, dass noch immer der Fall zwischen ihnen stand. Sie saß nämlich schweigend neben ihm und trug eine niedergeschlagene Miene zur Schau, und ihre schmalen Schultern waren nach vorn gesackt. Als sie auch noch ihr Kinn mit einer ihrer behandschuhten Hände abstützte, stellte Ashdowne fest, dass er noch nie eine Frau in seiner Begleitung so missmutig gesehen hatte. Er wusste nicht, ob er lachen oder gekränkt sein sollte. Aber das war Georgiana, wie sie leibte und lebte.
Sie bleibt immer interessant, dachte er lächelnd, auch wenn es ihm nicht gefiel, dass sie so geistesabwesend war. Seine Bemühungen, sie während der Fahrt für Sehenswürdigkeiten zu interessieren oder ein wenig mit ihr zu plaudern, trugen nicht dazu bei, sie aufzuheitern. Schließlich fragte er sich, ob es nicht das Beste wäre, einen neuen Verdächtigen vorzuschlagen. Doch ihm wurde sogleich klar, wie absurd der Gedanke war.
Glücklicherweise wurde seine Begleiterin fröhlicher, als sie die Hügel, welche die Stadt umgaben, erreicht hatten. Auch Ashdowne bewunderte die Landschaft mit ihren hohen Eichen. Nachdem er die Pferde angebunden hatte, zog er seine Handschuhe und seinen Mantel aus und warf sie auf die Wiese. Er bat Georgiana, sich ins Gras zu setzen, doch sie schien von dem Anblick der Stadt, die unter ihnen lag, entzückt zu sein.
„Es ist wunderschön“, murmelte er und stellte sich hinter sie.
Sie stimmte ihm zu und zeigte dann auf einige helle Gebäude. „Schauen Sie nur, wie klein die Häuser von hier oben sind“, sagte sie, lehnte sich nach vorn und kniff die Augen zusammen. Dann wandte sie sich plötzlich zu Ashdowne um und meinte: „Ich frage mich, wie gut man von hier aus mit dem Fernrohr sehen kann.“
Der Marquess starrte sie für einen Moment an und brach dann in Lachen aus. Es war typisch für Georgiana, dass sie die Romantik eines solchen Ortes ignorierte und stattdessen die praktische Seite ihres Ausflugs in Betracht zog. Wäre sie nicht so unterhaltsam gewesen, hätte er ihr Verhalten als eine Kränkung aufgefasst. Keine andere Frau hätte darüber nachgedacht, was unten in der Stadt passierte, wenn sie hier oben mit ihm allein gewesen wäre; doch keine andere Frau hätte auch hinter jeder Ecke eine verdächtige Person vermutet.
Georgianas einzigartige Sichtweise war sowohl bezaubernd als auch enttäuschend. Er wünschte sich dringend, dass ihre Aufmerksamkeit ihm galt und einmal nicht ihrem Fall.
„Es muss doch noch etwas anderes außer dem Diebstahl in Bath geben, was Sie interessieren könnte“, sagte er trocken.
„Ja, aber der Einbruch beschäftigt mich noch immer. Ich habe das Gefühl, dass ich etwas übersehe“, erwiderte sie nachdenklich.
Ashdowne hätte ihr am liebsten gesagt, dass sie ihn übersah. Doch er hielt sich zurück. Nach außen hin gab er sich stets gelassen, wenn nicht ein wenig desinteressiert; doch er sah genau, was um ihn herum passierte. Das war auch nötig. Er musste jedes Detail und jede Äußerung in Betracht ziehen, denn sonst konnte es zu einer Katastrophe kommen. Noch nie zuvor hatte er sich gestattet, sich von einer vor ihm liegenden Aufgabe ablenken zu lassen. Seitdem er jedoch die eindrucksvolle Miss Bellewether kannte, war es mit seiner Selbstbeherrschung nicht mehr weit her.
Sie war ihm entglitten.
Er fühlte sich wie Samson, der sich selbst ans Messer lieferte, indem er Dalila bat, ihm die Haare zu stutzen. Das stets gegenwärtige Gefühl, dass Georgiana seinen Untergang bedeutete, hatte sich mit der verrückten Hoffnung vermischt, dass sie auch seine Rettung sein könnte.
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