HISTORICAL EXCLUSIV Band 22
Hatten sie etwa nie Hunger? Sie spürte, wie seine Arme sich sicher und fest um sie legten. Entgegen ihrer Annahme schien Wolf überhaupt nicht müde zu sein. Er musste die Ausdauer eines Ackergauls haben. Kathryn dagegen war erschöpft; und obwohl sich ihr Geist immer noch dagegen sträubte, wusste sie doch, dass sie es mit diesem Wolf nicht aufnehmen konnte. Wenigstens nicht zum jetzigen Zeitpunkt.
Sie fühlte sich so sicher und warm in seinen Armen, dass sie sich wieder an ihn schmiegte. Später würde sie dann über ihre Flucht nachdenken und planen, wie sie dorthin kommen würde, wo Rupert sie finden konnte. Sie wollte gerade wieder einschlummern, als Wolf sagte: „Da gab es diese Frau letzte Nacht in Somerton.“
Zuerst war Kathryn erstaunt und glaubte, dass er zu ihr gesprochen hätte. Doch bevor sie antworten konnte, merkte sie, dass der Mann, der vorher das Wort an Wolf gerichtet hatte, wieder neben ihnen ritt.
„Ja?“, antwortete er. Kathryn hätte ihn gerne besser sehen wollen, tat aber stattdessen weiterhin so, als ob sie schlafen würde.
„Nachdem wir das Mädchen nach London geschafft haben und die Sache mit Philip geregelt ist, werde ich zurückgehen und sie suchen.“
„Wer ist denn diese Frau?“
„Das weiß ich nicht. Aber sie war … anziehend. Fesselnd.“ Wolf schien um Worte verlegen.
Der Ritter lachte. „Ich habe dich noch nie so … gefesselt gesehen, Cousin.“ Er wartete darauf, dass Wolf noch etwas sagen würde, bekam aber keine Antwort. „Dir liegen die Damen doch schon seit Jahren zu Füßen, aber du …“
„Nicht diesmal“, unterbrach ihn Wolf. „Es war merkwürdig. Sie war so … anders.“ Kathryn hörte die Verwirrung in seiner Stimme und war zu ihrer eigenen Überraschung ein wenig stolz darauf, auf ihn eine solche Wirkung gehabt zu haben. Sie konnte sich an keinen Mann erinnern, außer Rupert, der sie jemals reizvoll gefunden hatte, geschweige denn fesselnd. Auf der anderen Seite war der Gedanke, dass Wolf ihretwegen nach Somerton zurückkehren würde, äußerst beunruhigend. Er war als Mann keineswegs so sanftmütig und charmant wie ihr Rupert.
„Wie ist ihr Name?“
„Den wollte sie mir nicht nennen.“
„Das klingt ja vielversprechend.“ Unter halb gesenkten Lidern beobachtete Kathryn, wie der Mann die Augenbrauen hob. „Ich nehme an, dass es sich nicht um die ebenso reizende wie verführerische Lady Edith handelt.“
„Pah“, stieß Wolf verächtlich hervor. Kathryn fühlte den Laut, den er von sich gab, mehr, als dass sie ihn hörte.
„Es kann noch Monate dauern, bis unser Vorhaben erledigt ist, Gerhart“, sagte der Ritter belustigt. „Denkst du, dass sie auf dich warten wird?“
„Was macht es, ob sie nun wartet oder nicht? Ich werde sie besitzen“, antwortete Wolf mit größter Zuversicht.
Kathryns Stolz schwand augenblicklich. Wie konnte er es nur wagen, anzunehmen, dass sie sich ihm sofort an den Hals werfen würde, wenn er wiederkäme?
Am liebsten hätte sie ihm laut die Meinung gesagt, doch sie biss sich auf die Lippe und versuchte, ihre Wut zu bezähmen. Seine Selbstüberschätzung war nicht zu fassen. Dieser Mann dachte doch tatsächlich, dass er sie besitzen würde, nur weil er sie einmal geküsst hatte. Er kannte sie nicht einmal! Und er wird mich auch nicht kennenlernen, schwor sie sich.
„Und du sagst, dass du nicht weißt, wer sie ist?“
„Nein, Nicholas, sie wollte mir ihren Namen nicht verraten.“
„Könnte sein, dass deine Lady Kathryn sie kennt, wenn du sie ihr beschreibst.“
„Könnte sein.“
Seine Lady Kathryn! Wie viele Frauen gehörten diesem Wolf eigentlich? Sie zügelte ihr unbändiges Verlangen, ihren Ellenbogen in seinen Leib zu rammen, da sie wusste, dass sie sich nur an seiner Rüstung verletzen würde.
„Ich denke, dass es am besten wäre, mit deinen Gedanken bei Windermere zu bleiben und nicht bei einer zukünftigen Ehefrau. Außerdem gibt es da immer noch Lady Anna. Wenn du sie heiratest …“
„Ehefrau?“ Wolf lachte höhnisch. „Ich habe nicht von einer Ehefrau gesprochen.“
Nicholas grinste, und Kathryn geriet immer mehr in Wut. Wenn er entdeckte, dass sie die Frau vom See war, würde er also … Sie schwor sich, ihm keine Möglichkeit zu geben, herauszufinden, wer sie war.
„Aha, Lady Kathryn erwacht“, verkündete Nicholas, als sie sich unruhig hin und her warf. Kathryn war so wütend, dass es ihr unmöglich war, noch länger so zu tun, als ob sie schliefe. „Habt Ihr gut
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