HISTORICAL EXCLUSIV Band 22
zweifelnd den Kopf.
„Ebenso klar ist, dass Rupert mich nun nicht mehr finden wird, und ich gedenke, das so schnell wie möglich zu ändern.“
„Und wie stellst du dir das vor?“
„Das weiß ich noch nicht. Aber versprich mir, dir keine Sorgen um mich zu machen“, sagte Kathryn.
Allmählich brach die Dunkelheit herein. Sie hatten ein spärliches Mahl aus Dörrfleisch und Brot zu sich genommen. Danach verteilten sich die Männer um das Feuer und suchten nach bequemen Schlafplätzen für die Nacht. Wolfram lehnte sich mit dem Rücken gegen einen Baum, hüllte sich in seinen Umhang und schloss die Augen. Er konnte das tiefe, gleichmäßige Schnarchen der älteren Frau hören und wusste, dass auch das Mädchen sich schon lange nicht mehr gerührt hatte.
Kurz vor dem Einschlafen vernahm er jedoch ein leises Rascheln von der anderen Seite des Feuers und blickte auf. Es war das Mädchen, das sich umgedreht hatte. Jetzt lag es wieder still. Wolf wollte gerade beruhigt die Augen schließen, als er sah, wie Kathryn sich vorsichtig aufsetzte. Diese kleine Närrin hatte etwas vor. Sofort war Wolf hellwach und in Alarmbereitschaft.
Sie bewegte sich ganz langsam und achtete dabei darauf, dass sie die Männer nicht aufweckte. Keiner von ihnen, nicht einmal diejenigen, die Wache hielten, schien sie jedoch zu bemerken. Sie duckte sich so nah wie möglich zum Boden. In gebückter Haltung schlich sie vom Lager weg, bis der Schein des Feuers sie nicht mehr erreichte; im Dunkeln richtete sie sich dann auf und rannte davon.
Im Nu war Wolf auf den Beinen. Er konnte ihre Dummheit nicht fassen. Wohin, zum Teufel, wollte sie? Er gab der Wache ein Zeichen, auf ihren Plätzen zu bleiben, und machte sich ruhig daran, die Ausreißerin zu verfolgen.
Als er einen dumpfen Aufschlag und einen erstickten Schrei hörte, beschleunigte Wolf seine Schritte. Er hatte den Befehl, die junge Frau wohlbehalten nach London zu bringen, und sie wollte ihm diese einfache Aufgabe offensichtlich unnötig erschweren. In der Dunkelheit war es für Wolf nicht ganz leicht, den flachen Abhang, den sie hinuntergefallen war, zu überschauen, obwohl er vermutete, dass er unmittelbar über ihr stand. Kathryn war dort unten und wusste nichts von seiner Anwesenheit. Wolf hörte, wie sie leise vor sich hin schimpfte, und konnte nicht anders, als über ihr Fluchen zu lächeln.
„Au!“ Kathryn versuchte aufzustehen, aber ihr Knöchel wollte ihr Gewicht nicht tragen, sodass sie wieder in sich zusammensackte. „Verflucht!“, schimpfte sie. „Bei allen Märtyrern und Heiligen! Mein Auge, meine Lippe und mein verdammter Knöchel sind hin. Jetzt werde ich es nie mehr schaffen …“
„Lasst mich Euren Knöchel sehen“, sagte Wolfram, indem er sich neben sie hinunterbeugte. Sie schrie laut auf, und ihr wäre beinahe das Herz stehen geblieben, als er sprach. „Ganz ruhig. Ich bin es nur.“
„ Nur ?! Ihr seid der letzte Mensch, den ich jetzt sehen will“, gab sie zurück.
Er schmunzelte über ihre schonungslose Offenheit. Sie verhält sich gar nicht wie die Damen, die ich bei Hofe kennengelernt habe, dachte er bei sich. Aber sie war jung, und sie würde es noch lernen.
„Vermutlich verstaucht“, sagte er schroff, während er ihren Fuß untersuchte. Sie zuckte vor Schmerz zusammen. „Er beginnt schon anzuschwellen.“
Kathryn stöhnte.
„Was habt Ihr erwartet?“ Sie war sich sicher, Unmut in seiner Stimme zu hören. Er ließ einen Arm unter ihre Beine gleiten, den anderen hinter ihren Rücken und hob sie hoch. Es überraschte sie etwas, dass er sie nicht einfach wie einen Sack Rüben über die Schulter warf. „Ihr könnt nicht in diesem halsbrecherischen Tempo nachts durch den Wald jagen und denken, dass Euch nichts passiert. Besonders nicht, da Ihr eine Frau seid – und noch dazu eine, die offenbar sehr unerfahren ist.“
„Ach, wirklich ?“, bemerkte sie und strafte ihn wegen seiner Schadenfreude mit Verachtung.
Wolf fühlte, wie sie die Arme fester um seinen Nacken schlang, als er schnell den Wald durchschritt. Er wollte ihr Unvermögen absichtlich bloßstellen, indem er ihr zeigte, wie mühelos er sich in der Dunkelheit zurechtfinden konnte. Die Kleine hatte Mut, das musste man ihr lassen. Trotz seines Ärgers darüber, dass er ihretwegen jetzt noch nicht in seinen warmen Umhang eingehüllt schlafen konnte, fühlte er eine gewisse widerwillige Bewunderung für sie. Während ihre Arme seinen Nacken berührten, kam ihm der merkwürdige Gedanke,
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