HISTORICAL EXCLUSIV Band 23
Dickon“, erwiderte Seraphina mit einem etwas unsicheren Lächeln. „Jupiter und ich hatten eine Meinungsverschiedenheit wegen der Umfassungsmauer.“
„Die Umfassungsmauer! Ihr hättet Euch den Hals brechen können, Mylady“, schalt Dickon. „Also wirklich, Ihr solltet vorsichtiger sein.“
„Zurzeit kann ich dafür keinen Grund erkennen“, sagte Seraphina mehr zu sich selbst.
„Nicht alle Männer sind wie Lord Sherard, Mylady.“ In Dickons Worten lag Mitgefühl.
„Tatsächlich?“ Seraphina lachte teilnahmslos. „Was will denn meine Mutter von mir?“, fragte sie beiläufig, obwohl sie die Antwort im Voraus wusste.
„Mylady …“ Dickon blickte in ihr blasses Antlitz und räusperte sich umständlich. „Eure Frau Mutter trug mir auf, es Euch nicht zu sagen …“, fuhr er zögernd fort, „damit Ihr Euch nicht weigert zu kommen.“
„Ach so.“ Seraphina seufzte. „Es gab eine Zeit, Dickon, da hast du nicht Partei für meine Mutter ergriffen.“
Dickon wurde rot. „Wir sind keine Kinder mehr, Mylady, und die Tage, in denen Ihr mit mir und Bess im Park herumgetobt habt, sind für immer vorüber. Aber wenn Ihr es unbedingt wissen wollt, es ist hoher Besuch eingetroffen …“
„Der Earl of Heywood“, unterbrach Seraphina ihn abweisend.
„Ihr wisst es schon?“ Dickon sah sie überrascht an.
„Ja“, erwiderte Seraphina zerstreut und überlegte dabei, dass der Earl ihrer Mutter wahrscheinlich nichts von ihrer ungewöhnlichen Begegnung berichtet hatte. Er würde wohl kaum daran interessiert sein, dass andere erführen, wie er sich zum Narren gemacht hatte. Eitel und dünkelhaft ist er, dachte sie und verzog verächtlich den Mund.
„Lady Katherine sagte, Ihr solltet Euch vorher umkleiden“, fügte Dickon hinzu.
„Sie möchte mich dem neuen Bräutigam wieder einmal wie eine geputzte Puppe präsentieren, nicht wahr?“ Ärger stieg in Seraphina empor und machte ihre Stimme rau. „Aber kein Wort des Trostes und kein Gedanke an meine Gefühle! Um der Familie willen muss der Schein gewahrt werden!“
Dickon sah verlegen aus, sagte jedoch nichts.
„Ich fürchte, es ist bereits zu spät dafür.“ Seraphina wies auf ihr beschmutztes Gewand. „Der Earl hat mich schon in meinem Staat bewundern können! Und deshalb ist es das Beste, er gewöhnt sich an meine Unzulänglichkeit, ehe er geruht, mich zur Frau zu nehmen. Meinst du nicht auch, Dickon?“
„Ja … nein … Mylady …“, stotterte Dickon, verwundert über diese Bemerkung. „Aber Lady Katherine sagte doch …“
„Sie kann von mir aus sagen, was sie will.“ Seraphina zuckte gleichgültig die Schulter. „Oft genug hat sie betont, dass ich kein Kind mehr bin. Also werde ich ja auch in der Lage sein, meine Kleidung und meinen Schmuck selbst auszuwählen. In der Tat, ich glaube ebenfalls, dass ich ein bisschen zu sehr aufgeputzt bin für selbige Gelegenheit.“ Mit diesen Worten zog sie sich die Kappe vom Kopf, sodass die schwere Masse ihres Haares über ihren Rücken fiel. „Da! Findest du nicht auch, dass ich jetzt sehr präsentabel aussehe, Dickon?“
„Ja, Mylady“, bestätigte Dickon ergeben. „Aber es wird Feuerwerk geben. Ihr wisst, das Temperament Eurer Frau Mutter ist so heiß wie …“
„Meines“, vollendete Seraphina und lachte spöttisch. „Also, mache dir keine Gedanken. Ich werde mich schon nicht verbrennen. Und sage meiner verehrten Frau Mutter, dass du ihre Nachricht getreulich ausgerichtet hast. Nun lass uns aber gehen. Als pflichtbewusste Tochter möchte ich meine geliebte Mutter nicht warten lassen!“
Sie ließ den Zügel auf den Nacken des Hengstes klatschen und jagte das Pferd über die Grasnarbe dem Hause zu. Ihr fuchsrotes Haar wehte im Schein der Novembersonne wie ein feuriges Banner hinter ihr her.
Die große Halle war dämmrig mit Ausnahme der Stellen, an denen die Strahlen der Herbstsonne durch die großen Bogenfenster fielen. Der Earl straffte sich, als er an seinem günstigen Beobachtungsplatz auf der Orchestergalerie Seraphinas Eintritt bemerkte. Einen trügerischen Augenblick lang, während dem sie einen der goldenen Lichtflecke durchquerte, erinnerte er sie in unerträglicher Weise an Lettice. Lettice hatte sich auf dieselbe Weise bewegt, strahlend und behände wie eine Flamme, sodass selbst in einem Raum voller schöner Frauen die Blicke der Männer magnetisch angezogen wurden. Doch der Earl schob diese unerfreulichen Erinnerungen beiseite und betrachtete eingehend die schlanke
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