HISTORICAL EXCLUSIV Band 23
Altstadt bis dahin nicht befreit hat, haben sie geschworen, sich den Engländern zu ergeben, die ihrerseits gelobt haben, niemandem ein Leid anzutun.“
Elise gestattete sich einen verächtlichen Laut. „Können wir dem Wort dieser blutdurstigen Räuber trauen? Glaubt Ihr, dass der Dauphin kommen wird, Mutter Marie?“
„Der Dauphin? Ba, eher wird Gottes Sohn zum zweiten Male auf Erden erscheinen! Nein, mein Kind, ich glaube, wir werden erleben, dass der Rest von Caen sich am genannten Tag ergeben wird, und ich denke auch, dass das Blutbad beendet ist – zumindest für Caen. Dann, wenn König Henry verfährt wie schon zuvor und Engländer mit Französinnen vermählt, werdet Ihr Eure Chance bekommen, Euch unter den Feinden einzunisten – wenn nicht schon zuvor. Habt Ihr bereits einen bestimmten Engländer im Sinn?“
Diese Frage traf Elise unvorbereitet, und unwillkürlich stieg ihr Röte in die Wangen. „Nein, Mutter Marie, das ist nicht von Wichtigkeit für mich, solange ich nur meinen Racheschwur erfüllen kann“, erwiderte sie verlegen, „Die Engländer haben meinen Gemahl bei Agincourt getötet, müsst Ihr wissen.“
„Gott hab’ ihn selig“, sagte die Äbtissin und bekreuzigte sich. „Ich meinte jedoch einen Anflug von, sagen wir, Interesse in den Augen dieses großen, dunkelhaarigen Engländers, der Euch zu uns brachte, bemerkt zu haben. Und ich könnte schwören, dass er Euch nicht ganz und gar … missfallen hat.“
Elise begann unruhig auf und ab zu gehen. „Das ist nur so, weil er ehrenhaft gehandelt hat – der erste Engländer, der sich als wahrer Ritter erwiesen hat. Aber seither habe ich ihn nicht mehr gesehen, Mutter Marie. Und mir ist es gleichgültig, die Wollust welchen englischen Feindes ich zum Vorteil Frankreichs ausnutze“, erwiderte sie und fragte sich, ob es eine größere Sünde war, eine Äbtissin zu belügen als einen anderen Menschen.
Die Glocke läutete zum Mittagsoffizium. „Lasst nicht zu, dass Eure Rache Euch zu einer harten Frau macht, mein Kind“, warnte die Äbtissin. „Ich werde sehen, ob ich etwas tun kann … um Euch mit diesem Ritter wieder zusammenzubringen – oder mit einem anderen passenden Engländer. Und jetzt überlasse ich Euch diese Kammer, um eine Nachricht für Burgund aufzusetzen.“ Sie deutete auf Pergament und eine Schreibfeder auf dem Schreibpult. „Ich werde in die Kapelle gehen, also könnt Ihr ungestört schreiben. Lasst Eure Botschaft dann hier liegen.“
Schon am nächsten Morgen, als Elise im Klostergarten saß und den Herbstsonnenschein genoss, sah sie die Äbtissin ihr Versprechen erfüllen. Mutter Marie hatte Harry Ingles auf dem Weg durch den entfernteren Teil des Klosterhofes aufgehalten, sprach zu ihm und deutete in ihre Richtung. Gleich darauf nahm der Junker mit dem weithin leuchtenden karottenroten Schopf den Pfad, der geradewegs zu der Steinbank führte, auf der Elise saß.
Elise unterdrückte ein Lächeln, als sie den jungen Mann näherkommen sah. Sie hielt es nicht für wahrscheinlich, dass ein Junker sie ihrem Ziel näherbringen konnte, insbesondere einer, der noch so jung war, dass erst ein zarter Flaum an seinem Kinn von künftigem Bartwuchs zeugte, aber man konnte natürlich nie wissen.
„Madame de Vire, ich wünsche Euch einen guten Tag!“, begrüßte er sie überschwänglich in grässlichem Französisch. „Ich habe Euch seit dem Tag, als ich Euch in Eurem Haus versteckt fand, nicht mehr gesehen. Ich hoffe, Ihr seid mir deshalb nicht immer noch böse?“
„Nein, natürlich nicht. Immerhin ist Krieg, nicht wahr?“, entgegnete sie mit einem Schulterzucken und bedachte den Junker mit einem strahlenden Lächeln. „Und Ihr habt mir nichts zuleide getan … Es freut mich, Euch wiederzusehen, Junker.“
Es amüsierte sie, dass er vor Freude rot wurde. Dieser junge Mann hatte noch nicht gelernt, seine Gefühle zu verbergen und sich überlegen und gelangweilt zu geben.
„Nun … ja … Ich weiß es zu würdigen, dass Ihr Sir Adam geholfen habt. Er ist ein fabelhafter Mann, nicht wahr?“
„Er kann sich glücklich schätzen, einen so tapferen, loyalen Knappen zu haben“, sagte Elise und ließ ihre Augen aufleuchten. „Wie ich hörte, habt Ihr Euch beim Ansturm auf Caen ausgezeichnet!“
Die Röte in Harrys Wangen vertiefte sich, und Elise fühlte sich an einen jungen Jagdhund erinnert, den sie einmal besessen hatte. Der Welpe war stets außer sich geraten vor lauter Freude, wenn sie seinen Bauch gekitzelt und
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