Historical Exclusiv Band 44
Fischhändler, alte und junge Menschen … alle flohen und nahmen mit, was sie mit den Händen tragen konnten. Der Erdboden war mit weggeworfenen Dingen übersät, die die Leute mitzunehmen versucht hatten und dann doch zurücklassen mussten. Beißender Rauch lag in der Luft. Asche und Fetzen von versengtem Papier und Stoff schwebten um sie herum.
Die unheimliche Stille des Towers war dem Tosen der Flammen, dem Zusammenstürzen der Häuser und den Angstschreien der Opfer gewichen.
Im Hintergrund konnten sie die rauchenden Ruinen der ehemals großartigen St.-Pauls-Kathedrale sehen. Die Hitze war so stark gewesen, dass das bleierne Dach der riesigen Kirche geschmolzen war und die dickflüssige Masse jetzt die Mauern hinunterlief.
Anthony hielt an, als Sarah plötzlich wankte. Selbst unter der Rußschicht, die sie von Kopf bis Fuß bedeckte, sah sie leichenblass aus. „Ich fürchte, dass ich nicht weitergehen kann“, sagte sie hustend.
Er blickte um sich. Die Feuersbrunst verbreitete sich jetzt in alle Richtungen. Kein Weg erschien ihm mehr sicher genug, insbesondere angesichts von Sarahs geschwächtem Zustand. „Wir werden es doch auf dem Fluss versuchen“, rief er. „Schafft Ihr es dorthin zurück?“
Sie nickte, hing aber schwer an seinem Arm, als er nach Süden zur Themse umkehrte. Mehrere Tausend andere Menschen waren wohl zu demselben Entschluss gekommen. Als sie das Wasser erreichten, war die Oberfläche diesmal von einem Ufer zum andren mit allem, was schwimmen konnte, nahezu bedeckt. Vergnügungsschiffe, Fischerboote und Fähren wetteiferten mit umgekehrten Sänften und sogar mit zusammengebundenen Gemüsekisten, die die in Panik geratenen Menschen vom Zentrum des Feuers weggetragen hatten.
Anthony verlor langsam den Mut. Mit Sarah konnte er ihre Situation nicht besprechen. Sie sah aus, als ob sie mit ihren Kräften völlig am Ende wäre. Er hob sie auf die Arme und bahnte sich einen Weg zu der Gruppe von Menschen, die sich auf einem klapprigen hölzernen Dock gefährlich zusammendrängten. „Bitte!“, flehte er. „Ich habe hier eine kranke Frau. Bitte lasst uns durch!“
Sogar inmitten der Panik war noch ein wenig Ritterlichkeit anzutreffen. Von unten hörte er eine schroffe Stimme rufen: „Hier herüber, Sir! Ich kann Euch und Eure Dame mitnehmen.“
Am Rand der Kaianlagen befand sich ein kleines, zur Hälfte mit Gemüse beladenes Boot. Vier Menschen saßen an einem Ende zusammengekauert, darunter der Mann, der sie gerufen hatte. Ohne einen Augenblick zu zögern, drückte Anthony Sarah fest an sich und sprang auf einen Haufen Kohl.
„Ich bin Euch zu großem Dank verpflichtet“, rief er keuchend. „Ihr dürft versichert sein, dass ich mich großzügig zeigen werde.“
„Kümmert Euch lieber um Eure Gemahlin, Sir!“, erwiderte der Gemüsehändler freundlich. „Sie sieht sehr mitgenommen aus.“
„Ja. Danke. Das werde ich sofort tun.“ Anthony sank erleichtert zurück und wiegte Sarah beruhigend in den Armen, während der Mann das Boot vom Ufer abstieß und langsam in den Verkehrsstrom hinausfuhr, weg vom Tower, weg vom Inferno in der Stadt.
Sie hatten großes Glück gehabt. Es war zwar viel komplizierter gewesen, als er gedacht hatte, aber der erste Teil seines Plans war nun ausgeführt. Sarah war frei. Nun kam die schwierigere Aufgabe. Am besten, er würde sie zuerst über das Schicksal ihres Bruders aufklären.
„Sarah“, begann Anthony mit sanfter Stimme. „Ich habe gute Nachrichten für Euch. Wenn Ihr sie gehört habt, wird es Euch ein wenig besser gehen.“
Sie lag reglos in seinen Armen. Anthony wechselte die Lage, um ihr Gesicht zu sehen. Ihr Kopf neigte sich zur Seite, und ihre Augenlider senkten sich. Sarah war ohnmächtig geworden.
14. KAPITEL
S arah wachte benommen auf, aber sie wusste sofort, dass sie sich nicht mehr in ihrer Zelle befand. Statt einer harten Strohmatratze lag sie auf einem in feinen Atlas gehüllten Federbett, und sie hätte sich nicht besser fühlen können, wenn sie auf einer Wolke im Himmel geschwebt wäre.
Vielleicht ist es wirklich so, dachte sie einen Augenblick. Aber anstelle des Himmels befanden sich über ihrem Kopf schwere Eichenbalken und Verputz. Statt der himmlischen Gesänge der Engel hörte sie das Knistern eines Feuers und das leise Klappern von Pfannen aus einer Küche, die sich irgendwo weiter unten befand.
Sie drehte den Kopf um. Das konnte gewiss nicht der Himmel sein, denn in einem Sessel neben ihr saß Anthony Rutledge.
Er
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