Historical Exclusiv Band 44
gerade das Schicksal ihrer einzigen Tochter in die Hände eines Mannes von etwas zweifelhaftem Ruf legte.
Anschließend gab es ein großes Durcheinander. Jack trat heran, um seine Schwester auf die Wangen zu küssen, und die anderen Leute, die sich zum Anlass der Trauung versammelt hatten, drängten nach vorn und wollten dem Paar gratulieren.
Es dauerte geraume Zeit, bis Anthony Sarah wieder in die Arme nehmen konnte. Nachdem sie alle Glückwünsche empfangen hatten, gelang es dem Lord, seine Braut etwas beiseitezuziehen.
„Seid Ihr glücklich, meine Liebste?“, fragte er sie sanft.
„Ja, mein tapferer Edelmann. Ich fühle mich so froh und beschwingt wie nie zuvor in meinem Leben. Obwohl ich fast befürchte, dass ich das alles gar nicht verdient habe. Es ist einfach zu viel.“
Anthony küsste sie zärtlich auf die Nasenspitze. „Könnte es vielleicht möglich sein, dass da etwas von einem anerzogenen puritanischen Schuldkomplex an die Oberfläche dringt?“, neckte er sie.
Sarah schüttelte den Kopf. „Ich habe schließlich die Untaten ausgeheckt, und Jack ist nun derjenige, der hinaus auf das Meer segeln musste.“
„Jack wollte aus eigener Entscheidung zur See fahren, Liebste. Er ist ein erwachsener Mann. Ihr seid Euch doch über diese Tatsache im Klaren?“
Sie blickten beide auf die gegenüberliegende Seite des Saales, wo Jack und Thomas Fairfax mit einigen der Hochzeitsgäste Gespräche führten. Sarah bemerkte auch Norah Thatcher, die den Arm von Bürgermeister Spragg ergriffen hatte.
„Ich verstehe nicht, dass Norah sich gerade jetzt, wo er Abschied nehmen muss, von ihm trennen will“, meinte sie.
„Norah ist ein vernünftig denkendes Mädchen. Genauso wie Millie, die Wiggleston für ein lohnenderes Angebot verließ, nützt sie die Gelegenheit, die beste Partie in der Stadt zu ergattern.“
„Ihr könnt doch nicht im Ernst der Meinung sein, dass Bürgermeister Spragg eine bessere Partie ist als mein Bruder!“
„Jack und Norah könnten niemals ein ruhiges Leben miteinander führen, Sarah. Das wisst Ihr doch. Und ihr bietet sich jetzt die Möglichkeit zu einem gesicherten Leben mit Spragg.“
Sarah zog Anthony näher an sich heran. „Ich hoffe nur, dass Jack eines Tages auch das Glück findet, das wir beide gefunden haben.“
„Und Ihr bedauert es nicht, einen Gefolgsmann des Königs geheiratet zu haben?“
Eine leichte Röte stieg ihr in die Wangen. „Es war eine sehr großzügige Geste des Königs, mir dieses schöne Hochzeitsgeschenk zu machen.“
„Der Hengst ist erste Klasse“, pflichtete Anthony ihr bei. „Ein Tier, das zu seiner Herrin passt. Welchen Namen werdet Ihr ihm geben?“
Sarah warf ihm von der Seite einen kurzen Blick zu. Ihre Augen blitzten. „Es wird niemals wieder einen Brigand geben, aber ich hatte mir schon überlegt, ihn vielleicht ‚Bandit‘ zu nennen.“
Anthony seufzte. Dann beugte er sich zu Sarah hinab und flüsterte ihr ins Ohr: „Ich bin mir sicher, dass es mir nicht gelingen wird, die Herrin des Pferdes zu zähmen“, meinte er reuevoll. „Ich will es auch niemals versuchen. Aber was haltet ihr davon, wenn wir Eurem Hengst einen etwas harmloseren Namen geben. Wie wäre es denn mit ‚Butterblume‘?“
Sarah lachte und forderte einen Kuss von Anthony.
– ENDE –
Die Tochter der Dirne
1. KAPITEL
Windsor Castle, in den Weihnachtstagen des Jahres 1386
D as schamlose Flittchen hat dem König die Ringe von den Fingern gezogen, noch ehe er völlig erkaltet war.“
Das pflegten sie zu flüstern, und dann warfen sie ihr diese Seitenblicke zu. Sie glaubten, eine Zehnjährige wäre zu jung, um zu verstehen, wie sie ihre Mutter verunglimpften.
Doch Joan hatte es genau verstanden. Es war alles so offensichtlich gewesen in jener Nacht, als der König starb und ihre Mutter, die dreizehn Jahre lang seine Mätresse gewesen war, ihre beiden Töchter nahm und in die Dunkelheit hinaus floh.
Jetzt, zehn Jahre nach dem Tod ihres Vaters, hielt Joan sich bereit, um am Hofe des neuen Königs vorgestellt zu werden. Ihre Mutter hoffte, dass sie dort ihren Platz finden würde, vielleicht sogar einen Ehemann.
Die närrischen Träume einer alternden Frau.
Während sie darauf wartete, dass man sie rief, warf Joan heimlich einen Blick in die Große Halle. Es überraschte sie, dass das aufgearbeitete Kleid ihrer Mutter, das sie trug, gar nicht so altmodisch war. Tatsächlich war es die bunte Kleidung der Männer, die hier auffiel. Ganz in Blau und Rot, mit
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