Historical Exclusiv Band 44
sie.
„Ich werde darüber nachdenken. Aber nun zurück zu unserer augenblicklichen Situation. Wir müssen den Landvikar aus dieser Gegend fortbringen, wenn er nicht im Kerker landen soll.“
„Das ist nicht Euer Problem, Sarah“, meinte der Pastor bestimmt. „Wenn ich mich in dieser Höhle ein Weilchen ausgeruht habe, wandere ich die Küste entlang und suche nach einem Weg, um von hier fortzukommen. Der Herr wird mich beschützen.“
„Ihr könnt es darauf ankommen lassen und darauf vertrauen, dass der Herr Euch eine Fluchtmöglichkeit bereitstellt, doch während Ihr wartet, wird Oliver Kempthorne mit seinen Männern hier auf der Suche nach Euch jeden Stein umdrehen.“
Sie warf ihrem Bruder einen raschen Blick zu. „Wir müssen ihn so schnell wie möglich aus dem Land schaffen.“
„Mithilfe der Schmuggler?“, fragte Jack.
Sie nickte und wandte sich an den Pastor. „Ihr müsst uns verraten, wie Ihr mit diesen Leuten Kontakt aufnehmt.“
„Das ist zu gefährlich“, protestierte der Pastor.
„Wenn Ihr es uns nicht sagt, müssen wir auf eigene Faust einen Versuch unternehmen, und das wäre noch viel riskanter.“
Pastor Hollander wirkte in diesem Moment viel älter als sechzig Jahre. Plötzlich erschien er viel zu gebrechlich, um die Fahrt in einem kleinen Boot auf der rauen See zu überstehen. Doch Sarah sah keine andere Möglichkeit, ihn zu retten.
Der Landvikar holte tief Luft und musste sich räuspern. „Also gut, aber es liegt an Euch, Jack, dass Ihr mit den Leuten verhandelt. Ich könnte es nicht verantworten, wenn sich Eure Schwester allein mit diesen Männern trifft.“
„Selbstverständlich. Ich werde mich sofort auf den Weg machen. Sarah muss auf jeden Fall zurück nach Leasworth, um den Gesandten des Königs zu unterhalten.“
Der Pastor warf Sarah einen fragenden Blick zu, aber sie reagierte nicht auf die spitze Bemerkung ihres Bruders.
„Wenn Ihr diese Sache in die Hand nehmt, Jack, bin ich einverstanden“, entschied der Landvikar. „Also hört gut zu. Ich werde Euch jetzt darüber informieren, wie wir unsere Nachrichten an die Schmuggler übermitteln. Aber es könnte der Fall sein, dass es mehrere Tage dauert. Die dritte Ortschaft südlich von hier heißt Cottleswood. Am Dorfrand befindet sich eine Höhle, doppelt so groß wie diese. An ihrem nördlichen Ende steht ein Felsen, den man ‚Druidenschädel‘ nennt …“
Anthony hatte sein Pferd gerade der Obhut des Stallknechts Arthur überlassen, als er Sarah bemerkte. Sie kam den Pfad entlang, der ans Meer führte, und ging auf das Herrenhaus zu. Er rief nach ihr, und sie wandte sich nach ihm um.
„Habt Ihr schon die letzten Neuigkeiten gehört?“, fragte er sie.
„Meint Ihr die Angelegenheit mit dem Pastor?“
„Ja. Genau. Er wurde in der letzten Nacht von dem berüchtigten maskierten Wegelagerer befreit.“
„Solche Nachrichten verbreiten sich in Wiggleston blitzschnell“, bemerkte Sarah mit einem wissenden Lächeln.
„Vor allem, wenn sie den Einwohnern gelegen kommen“, meinte Anthony sarkastisch.
„Ihr würdet es mir sicher nicht glauben, wenn ich behaupten würde, nicht erleichtert zu sein über die Tatsache, dass sich unser Landvikar wieder in Freiheit befindet. Oder?“
Sie erreichten den Kiesweg, der zum Seiteneingang des Herrenhauses führte. Anthony nahm ihren Arm. „Ihr könntet wenigstens so tun, als ob Ihr ein bisschen Respekt vor der königlichen Justiz hättet.“
Sarah entzog sich ihm nicht. Aber sie entgegnete ihm abweisend: „Ich vermute, dass Euch mein Onkel darüber berichtet hat, was die Rechtsprechung Eurer Majestät für Auswirkungen auf meinen Vater hatte. Wie könnt Ihr nur verlangen, dass ich ihr Achtung gegenüber aufbringe?“
Anthony musterte sie aufmerksam. Das graue, mit schwarzem Pelz besetzte Wollkleid verbarg ihre aufregenden Körperformen, aber er bemerkte ihre langen geschwungenen Wimpern, die Wangen, von der Seeluft gerötet, und die reife Fülle ihrer blutroten Lippen. Seinen Körper erfasste heißes Begehren, und sein Inneres begehrte auf gegen die Pflichten, die ihm auferlegt worden waren. Er wünschte sich, die Angelegenheit mit dem Pastor und dem maskierten Räuber einfach zu vergessen und einen vergnügten Abend vor dem Kamin mit einer Flasche Wein und Sarah an seiner Seite zu verbringen.
„Ich habe tiefes Mitgefühl für das Schicksal Eures Vaters. Ich selbst war erst neun Jahre alt, als ich meinen verlor, aber ich erinnere mich immer noch an den Schmerz, den
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