Historical Exclusiv Band 44
… was, Sarah?“, fragte er sanft.
„Und … ich glaube, ich bin dabei, mich in ihn zu verlieben.“ Bis zu diesem Augenblick hatte sie diese Worte nicht einmal sich selbst gegenüber gebrauchen wollen. Aber es war die Wahrheit. Sie war dabei, sich in Anthony Rutledge zu verlieben, einen Königstreuen, einen Höfling, einen Vertreter all dessen, was sie bislang verachtet hatte.
Jack schaute auf das Meer hinaus. „So schlimm?“, fragte er schließlich mitfühlend, wobei er ihr den Rücken zuwandte.
Sarah lächelte wehmütig. „Sehr schlimm.“
„Er ist erst ein paar Tage hier …“
„Sagt mir, Jack, wie lange brauchtet Ihr, um zu entdecken, dass Norah Thatcher Euch mehr bedeutet als jedes andere Mädchen im Dorf?“
Jack wusste darauf keine Antwort. Er hatte Norah auf einem Erntefest kennengelernt und sich gleich in derselben Nacht mit ihr vereint. Es war ein Erlebnis, das er sein Leben lang nicht vergessen würde. Aber Norah war nicht mit Sarah zu vergleichen. Junge Frauen aus guten Familien durften solchen Gefühle nicht nachgeben, oder zumindest sollten sie das nicht.
„Nun, damit ist wenigstens eine Angelegenheit geregelt“, meinte er lebhaft.
Sarah sah ihn verständnislos an.
„Solange Lord Rutledge ein Auge auf Euch wirft, könnt Ihr nicht weggehen und den Mondschein-Banditen spielen.“
Sie wurde zornig. „Jack, Ich habe Euch schon gesagt, ich werde dieses Unternehmen durchführen, und dabei bleibt es.“
Jack schnitt vor Ärger eine Grimasse. „Nun gut, wir werden den Überfall zusammen machen“, lenkte er ein.
„Nein“, meinte Sarah sanft lächelnd.
Auch Jack klang nun wütend. „Es hat keinen Sinn, Sarah. Ich bin nicht mehr der kleine Junge, der sich von Euch herumkommandieren lässt. Entweder führen wir die Aktion gemeinsam durch, oder ich tue es allein. Dies sind die beiden Möglichkeiten, zwischen denen Ihr wählen könnt.“
Sarah trat einen Schritt zurück und blickte ihn überrascht an. Ihr Bruder war einen ganzen Kopf größer als sie, und er sah mit seinen breiten Schultern und muskulösen Oberarmen schon wie ein erwachsener Mann aus. Er hatte in einer Sache sicher recht. Jack war mittlerweile in einem Alter, in dem man sich von der älteren Schwester nicht mehr alles sagen ließ.
„Also gut, Ihr könnt mitkommen. Aber wenn es so weit ist, zuzuschlagen, bleibt Ihr zurück. Brigand und ich wissen, was wir tun, und Ihr würdet nur im Weg stehen.“
Jack nickte. Es blieb ihm noch genügend Zeit, um die Einzelheiten in seinem Sinne zu klären, sobald die Angelegenheit im Gang war. „Dann sind wir Partner“, sagte er und streckte die Hand aus.
Sarah lachte und nahm sie, um sie zu schütteln. Stattdessen ergriff Jack ihr Handgelenk und zog sie an sich, um sie herzlich zu umarmen. „Ich habe Euch wirklich gern, Sarah“, meinte er zärtlich.
Sie schmiegte das Gesicht in seinen wollenen Rock, um die aufsteigenden Tränen zu verbergen, und antwortete: „Und ich Euch auch, Jack.“
Gleich darauf lösten sie sich voneinander. Jack nahm sie bei der Hand und drehte sich zu den Pferden um. „Kommt nun“, rief er munter. „Wir wollen noch einmal auf Raubzug gehen!“
Deception warf den Kopf hin und her, als ob er es nicht erwarten könnte, endlich galoppieren zu dürfen. Doch Anthony hielt das Pferd an den Zügeln zurück. Er konnte die zärtliche Szene, die sich eben vor seinen Augen abgespielt hatte, nicht fassen. Diese wundervolle Frau, die den größten Teil des gestrigen Nachmittags mit ihm im Bett verbracht und ihm gegenüber beteuert hatte, unschuldig zu sein, warf sich in die Arme eines anderen Mannes – genauer gesagt, ihres um sie werbenden Nachbarn, Master Henry Partridge. Diesen Mann hatte er aufsuchen und über die Straßenräuberei in dieser Gegend befragen wollen. Anthony hatte es aufgegeben, als sich Sarah ihm angeboten hatte.
Er beobachtete, wie sich die beiden am Rande der Klippen umarmten. Sie hielten einander mit einer Ungezwungenheit fest, die von Vertrautheit zeugte. Es handelte sich seiner Erfahrung nach keinesfalls um die vorsichtige, schüchterne Umgangsweise, die einer neuen Beziehung zu eigen war.
Am besten wäre es, jetzt loszureiten und dem Paar sofort gegenüberzutreten. Vielleicht würden sie sich, wenn sie so unvermittelt miteinander ertappt würden, eine Blöße geben, und er könnte die Auskünfte erhalten, die er suchte.
Anthony wollte sich zwingen, dem Pferd die Sporen zu geben, aber er bewegte sich nicht. Seine Brust schmerzte,
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