Historical Exklusiv Band 06
verführt worden ist, wie Percy annimmt, und sich jetzt nach diesem Lumpen sehnt, überlegte Wat. Doch selbst wenn Spencer keine amourösen Absichten hegte, so plante er vielleicht, sie in dieser unzugänglichen Festung einzukerkern wegen des Verdachts der Schmuggelei! Wat würde es nicht zulassen, dass die Axt des Henkers auf Rosalind herniedersauste. Trotz der Stärke und Schlauheit von Spencer wollte er Rosalind unter Einsatz seines Lebens verteidigen. Nie könnte er ertragen, wenn sie selbst und alles, wofür sie gekämpft hatte, diesem Vasallen des Königs zum Opfer fiele.
"Habt Ihr etwas gesagt, Wat?" Percy Putnams Stimme durchdrang das Sieden seines Zorns.
"Was erwartet Ihr denn davon?" warf ihm Wat entgegen.
"Einzig und allein Rosalinds Sicherheit, wie ich schon gesagt habe." Percy bemühte sich, Wats Blick standzuhalten. Er wusste, dass man sich in Wat täuschte. Hinter seiner vierschrötigen Gestalt und seiner abgebrochenen Redeweise verbarg sich ein gerissener Bursche. Nie hätte er gewagt, sich mit Wat einzulassen, wenn er nicht dessen Schwäche für Rosalind entdeckt hätte. Nun versuchte er sogar, Wat mit einem Stückchen Wahrheit zu füttern.
"Im Übrigen", Percy ließ den Kopf hängen, "hat Spencer mich in der Öffentlichkeit vor allen meinen Freunden hier gedemütigt. Zuerst habe ich mich gefreut, dass ein Lord Lieutenant hierher kam, bis er dann mit all seinen Befehlen und Anordnungen hereinplatzte – und mit seiner Begierde für Rosalind, die er befriedigen wird, ehe er sie dann zerbrochen und besudelt wegwirft, denkt an meine Worte!"
Wat nickte mit gerunzelter Stirn. "Ich werde an alles denken, Master Putnam, aber behaltet Eure Zeichnung von der Burg. Ein Mann müsste verrückt sein, sich dort einschleichen zu wollen. Nein, da wäre ein nächtlicher Reitunfall schon besser und auch gerechter, wenn derjenige auf dem Wege zu Rosalind das kleine Tal durchquert. Und sie ist", fügte er mit Nachdruck hinzu, "unschuldig und rein wie frisch gefallener Schnee, was die Anschuldigungen wegen des Schmuggels anbelangt."
Percy riss die Zeichnung der Burg in kleine Stücke. "Ihr habt natürlich Recht mit allem", pflichtete er bei. "Ein schlauer Mann würde ein Tau oder ein Fischernetz quer durchs Tal spannen, und wenn Spencer mit seinem Pferd darin gefangen ist, ihm eins, zwei, drei die Kehle durchschneiden."
Er musste sich bemühen, bei der Vorstellung von dem unter seinem schweren Ross liegenden Spencer ein zufriedenes Lächeln zu unterdrücken. "Dann guten Tag noch, mein Freund Wat. Und Ihr könnt gewiss sein, dass ich völlig vergessen habe, warum ich hergekommen bin", sagte er und machte sich wieder davon.
Am selben Nachmittag blickte Nick auf den neuesten von Rosalinds spöttisch ehrfurchtsvollen Briefen, die auf dem Tisch vor ihm ausgebreitet waren.
"Zur geneigten Aufmerksamkeit des Lord Lieutenants der Veste Deal, Nicholas Spencer, am neunzehnten Tag im November im Jahre des Herrn 1539 bittet Mistress Rosalind Deland Barlow demütig, Eure Lordschaft möge auf ihr schriftliches Ersuchen hin gestatten, dass sie zumindest den Kopf aus der Vordertür des Gasthofes 'Rose und Anker' stecken darf, um den vorbeigehenden Kindern ihres Vetters zuzuwinken. Obwohl sie ihre lieben Gesichter und ihre vergnügte Gesellschaft sehr vermisst, sollen die armen Kinder doch nicht die nächsten unschuldigen Bürger von Deal sein, die unter Verdacht geraten oder von Eurer Wache angeschwärzt werden, dass sie insgeheim Grüße zu ihrer eingesperrten Tante schmuggeln.
Eure baldige Antwort und Erlaubnis auf diese bescheidene Bitte würde zu tiefstem Dank verpflichten."
Nick stieß einen Schwall derbster Seemannsflüche aus, die er nicht mehr benutzt hatte, seit er zum letzten Mal mit einer königlichen Karavelle auf See gewesen war. Das brachte das Fass zum Überlaufen! Nun musste er dieser Kraftprobe, mit der Rosalind gegen seine Stellung und seinen Verstand zu Felde zog, einen Riegel vorschieben. Und außerdem kribbelte es ihn in den Fingern, sie zu schütteln, bis ihr Hören und Sehen verging. Unaufhörlich klang ihre Stimme in seinen Ohren, wenn sie sich geschickt mit ihm anlegte, boshaft schimpfte oder ihm schlau um den Bart ging. Nick war auf dem besten Wege, verrückt zu werden, wenn er sich noch länger ihre Gegenwart vorenthielt.
Doch als er die Tür aufriss, um den Befehl zu geben, sein Pferd zu satteln, kam Percy Putnam den Gang entlang.
"Neuigkeiten, Master Putnam?"
"Wir haben beide mit
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