Historical Exklusiv Band 06
weiteres Schreiben, in dem sie um die Gewährung eines Spazierganges bat, hatte Pfarrer Phillip bereits aufgesetzt, und sie wollte ihn Franklin Stanway aushändigen, wenn er zum Essen kam.
Sie konnte gegen das zunehmende Unbehagen in sich nicht ankämpfen. Wie durfte Nick es wagen, ihre Freiheit zu beschneiden! Wie durfte er sich erlauben, mit ihr ins Bett zu gehen, zu behaupten, er bewundere sie, und sie dann so zu behandeln! Und dennoch dachte sie an ihn, vermisste sie ihn, den Lumpen! Verdammt sei dieser Vasall des Königs! Die Briefe, mit denen sie ihn bombardierte, schienen ihn überhaupt nicht zu beeindrucken. Sie sah förmlich, wie er sie zusammenknüllte und in das Kaminfeuer warf. Liebend gern würde sie ihm ins Gesicht sagen, was sie von ihm hielt, aber dieser Feigling ließ sich ja hier nicht mehr sehen.
Schließlich merkte Rosalind, dass ihr diese Stille auf die Nerven ging. Zwar liebte sie die Einsamkeit, das leise Rauschen der Wellen am Strand. Aber jetzt war sie innerlich so voller Ärger und Unruhe, dass ihr ein ordentlicher Streit fehlte oder auch nur ein rauer Gesang aus dem Schankraum. Wo Meg nur blieb? Warum kam sie nicht, um mit ihr zu plaudern?
Nun gut, dann würde sie Meg eben suchen. Erst wollte sie noch einige Früchte, die sie im Garten gepflückt hatte, in Tante Bess' Kammer bringen. Seit kurzem plagte sie jedes Mal, wenn sie den Raum betrat, die Erinnerung an Nick, wie er so unschuldig und hilflos dort im Bett lag. Immer wieder erschien der Augenblick in ihrem Gedächtnis, als sie zusammen auf das Bett gefallen waren und Nick sie dort festgehalten hatte …
Rosalind nahm die Körbchen, ging auf den Flur und nickte Tom zu. "Würdet Ihr so freundlich sein", sagte sie, "und mir die Tür dort drüben öffnen?"
Der Mann beeilte sich, ihren Wunsch zu erfüllen. Rosalinds Laune schlug wieder um. Wie konnte sie solchen Augenblicken mit einem Vasallen des Königs nachtrauern! Sie hatte den wirklichen Nick Spencer kennen gelernt und würde keine Zeit mehr mit Erinnerungen an ihn im Bett vertun.
"Die Tür klemmt, Mistress, aber ich werde schon …" Tom stieß mit der Schulter dagegen.
Die Tür sprang auf und riss einen Stuhl mit, der von innen dagegengestemmt worden war. Und dort auf dem Bett, wo sich Rosalind so oft hatte mit Nick liegen gesehen …
Meg kreischte, und Franklin versuchte, sie zuzudecken, machte damit ihre augenblickliche Verlegenheit aber nur noch offenkundiger.
"Meg!" schrie Rosalind. Verwirrt und wütend wusste sie nicht, was sie zuerst tun sollte. Schließlich schlug sie Tom die Tür vor der Nase zu. Es war nicht zu übersehen, dass beide splitternackt auf der Bettdecke lagen.
"Hülle doch wenigstens ein Laken um dich, Meg, und schicke diesen Mann fort!"
Ihre Knie zitterten, und sie fiel in den nächsten Stuhl. Dass es nun so weit gekommen war, konnte sie einfach nicht glauben. Ja, sie wusste von Franklins Liebesgedichten. Und sie wusste auch, dass die beiden sich liebten. Deshalb hatte sie ihnen erlaubt, sich zu treffen, aber doch nicht auf diese Weise! Rosalind konnte erst wieder einen klaren Gedanken fassen, als Franklin unter der Bettdecke wie in einem Zelt in seine Kleider stieg. Meg saß aufrecht im Bett, hielt ein Kissen vor die Brust und blickte Rosalind an.
"Wie konntest du hier eindringen!" heulte sie.
"Das ist mein Haus, und das ist die Kammer von Tante Bess! Geht, Master Stanway! Wie konntet Ihr die Tugend meiner Schwester antasten? Ich habe keine Lust, das Kind eines Mannes im Dienste des Königs aufzuziehen!" Rosalind wies auf die Tür, als Franklin notdürftig bekleidet wieder zum Vorschein kam.
"Ich liebe ihn, Rosalind! Ich will ihn heiraten!"
"Das wirst du nicht. Er will ja nur das eine …" Meg, die früher so schüchterne Meg, sprang aus dem Bett und stolperte dabei fast über ihr Hemd. "Du hast kein Recht, mich zu schelten oder uns etwas zu verbieten!"
"Liebste, sollten wir das jetzt nicht lieber lassen …"
"Nein, sie hat kein Recht, denn sie hat wahrscheinlich dasselbe gemacht, was die Liebe zu einem Gefolgsmann des Königs anbelangt, und …"
"Jetzt hör einmal zu, Margaret Deland!" Rosalind stützte die Hände in die Hüften. "Seit Jahren schon weißt du, dass man den Leuten des Königs nicht im Geringsten trauen kann!"
"Sprich lieber von dir und deinem Lord Lieutenant!" fuhr Meg auf. "Ich liebe Franklin, und er wird mich heiraten."
Rosalind wandte sich um und riss die Tür auf. Sie wollte Franklin hinauswerfen und Meg in ihre Kammer
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