Historical Exklusiv Band 06
wenn jemand Schmerzen litt. Daher hatte sie ihre noch immer feuchten Kleider angezogen, all ihren Mut zusammengenommen und war dann hinausgegangen, um ihre Hilfe anzubieten.
Der blutverschmierte Burke hatte erleichtert auf ihre ruhige Hand und sanfte Stimme reagiert. Der Schiffskoch, ein Mann mit vielen Narben und einer Haut so schwarz wie Ebenholz, hatte sie dagegen misstrauisch angesehen. Sarah hatte seine offensichtlichen Bedenken gegen ihre Anwesenheit überwunden, indem sie sie gar nicht beachtete.
Bald hatte er ihre Hilfe zu schätzen gewusst, als er die Wunde in der Schulter des Maats mit einem glühend heißen Eisen geschlossen hatte. Sarah hatte sich auf Burke geworfen und ihn festgehalten. Beinahe hätte sich ihr der Magen umgedreht, und noch jetzt schmeckte sie die Übelkeit in ihrem Mund. Nachdem sie sich in den Augen des Kochs und Chirurgen auf diese Weise bewährt hatte, gestattete er ihr, die Haut des Maats an der Schläfe zu nähen – ihre Finger waren zierlicher und geschickter als seine, wie er widerstrebend zugeben musste.
Jetzt sah er sie aus seinen schwarzen Augen beinahe wohlwollend an. "Das sind verdammt gute Stiche, Miss Sarah."
Der starke Akzent in seiner Sprechweise verlieh ihrem Namen etwas Melodisches, so dass er beinahe wie ein Lied klang.
"Vielen Dank, Okunah."
James lauschte dem kurzen Wortwechsel mit wachsendem Missfallen. Miss Sarah, so. So viel also zu seinen überflüssigen Bemühungen, ihre Identität vor der Mannschaft zu verbergen.
Und wie zum Teufel hatte sie diesem Mann seinen afrikanischen Namen entlockt? Der Koch fuhr jetzt seit drei Jahren auf der Phoenix. Er sprach wenig, und niemals erzählte er davon, wie er gelebt hatte, ehe er vor der Küste von Madagaskar von Bord eines Sklavenschiffes gesprungen war. Er war geschickter im Umgang mit einem Zwölfpfünder als mit dem Kochgeschirr, aber nicht ein Einziger aus der Mannschaft wagte es, ihm das zu sagen. Und soweit James wusste, kannte niemand seinen Stammesnamen. Bis zu diesem Augenblick hatte sogar der Kapitän selbst von ihm stets nur als "der Afrikaner" gesprochen.
Er runzelte die Stirn und sah zu, wie Sarah den letzten Stich machte und dann ihren Patienten anlächelte.
"Das sollte halten, Mr. Burke."
Mit Hilfe des Kapitäns drehte Liam sich herum und setzte sich auf die Tischkante. James stützte ihn, während Sarah ihm einen Verband um die Stirn wickelte. Als sie fertig war, wackelte der Maat vorsichtig mit dem Kopf. Dann hob er den Arm, um die Wunde an der Schulter zu prüfen. Die Bewegung trieb ihm den Schweiß auf die Stirn, aber schon einen Moment später glitt er vom Tisch und lächelte seinen Wohltätern zaghaft zu.
"Ich danke Ihnen beiden."
"Sie sollten sich ausruhen, Mr. Burke", widersprach Sarah.
Er grinste. "Da ist mehr nötig als ein Stück Holz und ein Schlag auf den Kopf, um mich umzuwerfen, Mädchen. Ich werde mich um die Männer kümmern. Und", fügte er mit einem Blick auf James hinzu, "der Captain wird sich um Sie kümmern."
"Das werde ich tun", bestätigte James.
Er wartete, bis die beiden Männer die Messe verlassen hatten. Auf der anderen Seite des blutverschmierten Tisches reckte sein aufsässiger blinder Passagier das Kinn auf eine Weise, die stürmisches Wetter verhieß. Er betrachtete die roten Strähnen, die sich um Sarahs Schultern ringelten, und ihre blutigen Hände. Das Blut seines Maates. Also alles der Reihe nach, dachte er finster.
"Ich schließe mich mit meinem Dank Liam Burke an", erklärte er höflich.
Sie warf ihm einen erstaunten Blick zu. "Ich habe etwas Erfahrung in der Krankenpflege", erwiderte sie vorsichtig. "Als ich sein Stöhnen hörte, bot ich ihm meine Hilfe an."
"Ihre Fähigkeiten haben Sie vor der Peitsche gerettet."
"Das will ich allerdings auch hoffen!" Ihre Erleichterung mischte sich mit Verärgerung. "Also wirklich, Lord Straithe …"
"An Bord dieses Schiffes sollten Sie mich mit 'Captain' ansprechen, Miss Abernathy."
"Also wirklich, Captain, ich denke, Sie sollten wissen, dass Drohungen mir gleichgültig sind."
"Mir auch, Miss Abernathy. Was Sie soeben gehört haben, war ein Versprechen. Und ich werde es erfüllen, wenn Sie meine Befehle noch einmal missachten."
Sie biss sich auf die Lippe. Zu James' Überraschung senkte sie zustimmend den Kopf.
"Ich verstehe. Das Wort des Kapitäns ist auf einem Schiff Gesetz." Sie hielt inne, dann zwang Sie sich zu einem Lächeln. "Aber könnten Sie nicht aufhören, ständig 'Miss Abernathy' zu sagen, und
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