Historical Exklusiv Band 06
ich sage. Wenn ich die Phoenix verlasse, so wird Wang Er auch gehen, und Sie, Sir … können sich aufhängen lassen."
James schätzte Drohungen nicht mehr als sein blinder Passagier, aber ihr Ausbruch nahm ihm den Wind aus den Segeln.
"Aufhängen?" Er lächelte. "Ohne Zweifel. Wenn Sie an Bord der Phoenix bleiben, dann werden Sie gewiss noch farbigere Flüche für mich finden."
"Ohne Zweifel."
Sein Lächeln wurde breiter, als sie ihm so seine Worte zurückgab, und ihr stockte der Atem.
Gütiger Himmel! Wenn sie noch einen weiteren Beweis dafür gesucht hätte, dass die Gerüchte über Straithes skandalösen Lebenswandel stimmten, dann hätte sie ihn mit diesem plötzlichen jungenhaften Lächeln bekommen. Nur eine Frau, deren Blick vom Alter getrübt war, könnte diesen blitzenden blauen Augen und strahlend weißen Zähnen widerstehen.
Sarah hatte diesen Zustand noch nicht erreicht, und sie spürte die Wirkung. Und wie! Aber sie war aus härterem Stoff gemacht als Straithes frühere Eroberungen. Sie straffte die Schultern und brachte ihre Auseinandersetzung noch einmal auf den Punkt.
"Also, Captain, segle ich nun mit Ihnen, um meinen Vater zu suchen?"
Er zögerte so lange, dass sie begann, über weitere Argumente nachzudenken.
"Ich vermute, ich werde dies noch bitter bereuen", meinte er schließlich, "aber – ja, Sie können mit mir segeln."
"Ich danke Ihnen. Und bekomme ich diese Kabine oder eine andere?"
Mit spöttischem Lächeln bot er ihr seine Kabine, sein Bett und seine Seekiste an, damit sie sich etwas Sauberes zum Anziehen suchen konnte. Er sagte, er würde eine Hängematte in der Kabine seines ersten Maats befestigen – ganz in ihrer Nähe, falls sie ihre Meinung ändern und nach seiner Gesellschaft verlangen würde.
"Das werde ich ganz gewiss nicht tun!"
"Es sind schon weitaus seltsamere Dinge geschehen", meinte er nur und zog herausfordernd eine Braue hoch.
Nach der unbequemen Nacht, die sie im Tauschrank verbracht hatte, und dem aufregenden Morgen in der Messe sehnte Sarah sich nach Wasser zum Waschen, sauberen Kleidern und etwas zum Essen. Die ersten beiden Dinge waren leicht zu bekommen. Kurz nachdem der Kapitän gegangen war, brachte ihr ein dünner, einäugiger Seemann, der sich als John Hardesty vorstellte, einen Eimer mit Seewasser. Sarah schrubbte ihre Haut, bis sie brannte und alle Blutspuren beseitigt waren.
Eingehüllt in ein großes Baumwolllaken, das sie als Handtuch benutzte, kniete sie dann vor der Seekiste des Kapitäns. Der Deckel knarrte, als sie ihn öffnete. Ein Hauch von Zedernduft entstieg den sorgfältig gefalteten Hemden, Jacken und Hosen. Sie wollte seine persönlichen Sachen nicht ganz durchwühlen und nahm nur ein weißes Leinenhemd und ein Paar braune Hosen heraus. Die Hose schmiegte sich schockierend eng um ihre Hüften, doch das Hemd reichte ihr bis über die Knie und war damit lang genug, um den Anstand zu wahren. Zu ihrem Missfallen stellte sie fest, dass ihre dunklen Brustspitzen durch den feinen Stoff schimmerten. Sie griff also noch einmal in die Kiste und zog noch eine reich bestickte Weste heraus.
Ein langer schmerzhafter Kampf mit der silbernen Bürste des Kapitäns löste die Kletten aus ihrem Haar. Dann suchte sie nach etwas, um es zusammenzubinden, warf also noch einen Blick in die Seekiste und fand in einer Seitentasche ein schmales schwarzes Samtband.
Als sie es herausnahm, stellte sie fest, dass eine bemalte Kamee daran hing. Sarah hielt sie ans Licht, und ihr Blick fiel auf das Bild einer hinreißend schönen Frau mit dichtem braunen Haar und elfenbeinfarbener Haut. Die unbekannte Schönheit konnte es mit Abigails makellosen Zügen aufnehmen, wie Sarah bereitwillig zugeben musste, aber der spitzbübische Ausdruck in ihren jadegrünen Augen zeigte, dass die jüngere Miss Abernathy ihr an Sanftmut überlegen war.
Neugierig drehte Sarah die Kamee um. Die Inschrift auf der Rückseite sagte aus, dass James immer und ewig einen Platz im Herzen der Frau innehaben würde, die mit "Dorcas" unterschrieben hatte.
Missbilligend schüttelte sie den Kopf, löste die Kamee von dem Band, legte sie zurück und schlug dann krachend den Deckel zu.
Etwas später wurde sie zum Dinner gerufen. Die Phoenix lief unter vollen Segeln, so dass der Kapitän am Ruder stand und nur der verletzte Mr. Burke ihr in der Messe Gesellschaft leistete. Nach ein paar Bissen von einem ungenießbaren Reiseintopf, verkochtem Gemüse und etwas, von dem sie hoffte, dass es
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