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Historical Exklusiv Band 06

Historical Exklusiv Band 06

Titel: Historical Exklusiv Band 06 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caryn Cameron Merline Lovelace
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Und du wirst ganz gewiss auch nicht mitkommen. Du musst hier bleiben und Abigail von ihren Sorgen ablenken, bis ich wiederkomme."
    Charlie seufzte tief, aber auch in seinen jungen Jahren hatte er sich schon daran gewöhnt, wie alle anderen in der Familie, die überaus zartfühlende Abigail, mochte sie auch älter sein als er selbst, zu beschützen und zu umhegen. Großzügig bot er an, seiner Schwester mit Spielen die Zeit zu vertreiben und sie dadurch auf andere Gedanken zu bringen, während Sarah unterwegs sein würde.
    "Ich danke dir, Charlie", meinte Sarah.
    In diesem Augenblick glitt lautlos eine schmale, bezopfte Gestalt ins Zimmer. Mit einer Verbeugung wandte der Mann sich an Sarah mit dem Ehrentitel, den er ihr vor Jahren schon zugebilligt hatte.
    "Sie müssen sich beeilen, Große Schwester. Fünfter Neffe kann nicht sehr lange warten."
    Über Charlies Kopf hinweg begegnete Sarah dem ausdruckslosen Blick des Mannes, der den Abernathys nur als "der Koch" bekannt war. Wie üblich konnte sie den Ausdruck in seinen Augen nicht deuten, die von tief hängenden Lidern überschattet wurden. Sarah war nie ganz sicher, was er über die Familie "fremder Teufel" wirklich dachte, für die er kochte. Sie wusste nur, dass sie sich, was die Haushaltsführung und die geregelte Versorgung der Familie betraf, auf diesen hageren, ergrauenden Diener weit mehr verlassen konnte als auf ihren eigenen Vater.
    "Ich werde sofort aufbrechen", erwiderte sie.
    "Jüngste Enkelin, die Kleine mit dem Hinken, wird Sie dorthin führen."
    Sarah nickte dem Kind zu, das respektvoll hinter dem Großvater gewartet hatte. Das Mädchen senkte den Kopf, zu verlegen, um mit den fremden Barbaren zu sprechen. Nachdem sie Abigail und Charlie noch allerletzte Anweisungen erteilt hatte, zog Sarah sich den Hut tiefer ins Gesicht, steckte die Hände in die Ärmel und folgte dem kleinen Mädchen durch die Hintertür der presbyterianischen Mission hinaus.
    Das Gebäude lag auf einem steilen Hügel im Schatten der alten portugiesischen Festung, und man konnte tagsüber einen herrlichen Ausblick über den geschäftigen Hafen von Macao genießen. Selbst jetzt, da die Dämmerung ihren weichen Schleier über die schmale Halbinsel breitete, stockte Sarah bei dem Anblick zu ihren Füßen beinahe der Atem.
    Im späten Juli brachte der Monsunwind Händler aus aller Welt zu der großen Bucht östlich von Macao. Hunderte von Schiffen lagen hier jetzt vor Anker, warteten auf Pässe oder chinesische Lotsen, die sie weiter den Perlenfluss hinauf nach Kanton bringen sollten, dem offiziellen Umschlagplatz sämtlicher Güter. Die Laternen der stattlichen, dickbauchigen Ostindienschiffe, bestückt mit zahlreichen Kanonen, blinkten von weit draußen in der Bucht herüber, in den flacheren Gewässern schaukelten Fregatten und zweimastige Schoner auf den Wellen. Dschunken und Sampans in allen Größen fuhren zielstrebig zwischen den Schiffen aus aller Herren Länder hin und her, gerudert von Bootsmädchen, die sich ihren Lebensunterhalt damit verdienten, die Wünsche und Bedürfnisse der Seeleute zu befriedigen.
    Beim Gedanken an die Bootsmädchen, von denen einige zur weitläufigen Verwandtschaft des Kochs zählten, runzelte Sarah die Stirn. Der Reverend Josiah Abernathy hatte während der Handelssaison des vergangenen Jahres eine erbitterte und durchaus wohl gemeinte Kampagne geführt, um die Unglücklichen vor den hemmungslosen Gelüsten der Seeleute zu schützen. Seine Bemühungen waren bemerkenswert erfolglos geblieben. Nicht nur, dass sich die Bootsmädchen seiner Einmischung in ihre Geschäfte entschieden widersetzt hatten, sondern auch die Seeleute hatten ihrem Protest lautstark Ausdruck verliehen. Lord Blair, der ranghöchste Vertreter Britanniens in Macao, hatte mehrmals einschreiten müssen, um zu verhindern, dass sich die Zusammenstöße und Streitereien zu handfesten Prügeleien und Aufständen entwickelten. Zu Hause hatte der Koch wochenlang ungenießbare und höchst verdächtig aussehende Gerichte serviert, um dem Reverend dadurch sein persönliches Missfallen an der Angelegenheit auszudrücken.
    Sarah schüttelte den Kopf, als sie ihrer Führerin durch die gewundenen Straßen folgte, und fragte sich, ob das Leben für die Familien anderer Geistlicher ähnlich kompliziert verlief wie für sie. Sie konnte sich das kaum vorstellen. Nur vage erinnerte sie sich noch an die ruhige Vikariatszeit ihres Vaters, die die Familie in Kent verbracht hatte. Die Abernathys hatten

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