Historical Exklusiv Band 06
sehen."
"Das will ich auch nicht. Aber können wir mit diesen neuen Lektionen nicht bei Tage beginnen?"
"Ach, Sarah, du hast nicht gelebt, wenn du nicht bei Mondschein geschwommen bist."
Sie schrie leise auf, als eine kalte Welle ihren nackten Rücken berührte. "Ich habe recht gut gelebt bisher, vielen Dank, und ich …"
Er öffnete die Arme, und sie fiel wie ein Stein ins Wasser. Sie ruderte heftig mit Armen und Beinen, bis sie Boden unter die Füße bekam und hustend und prustend wieder auftauchte.
"Du schreckliches Geschöpf! Kein Gentleman würde so etwas tun."
"Ich habe nie behauptet, ein Gentleman zu sein", erinnerte er sie gelassen. "Komm, leg dich auf den Rücken und versuch, dich ganz einfach treiben zu lassen. Ich halte dich fest."
"Ha!" Sie wich zurück. "Als würde ich dir das jetzt glauben."
"Komm schon, Sarah!"
"Nein!"
"Sarah …"
"Ich sagte Nein!"
Als sie ihre Antwort mit einem Schlag auf das Wasser unterstrich, das ihm mitten ins Gesicht spritzte, sprang er auf sie zu. Sie wich ihm aus. Er folgte ihr. Sie entschlüpfte ihm wie ein Aal. Lachend spielten sie Fangen im Mondschein, ausgelassen wie die Kinder. Sarah, die nun nicht im Geringsten mehr träge war, ließ sich schließlich von ihm einfangen.
Sie zahlte ihre Schuld bereitwillig, glitt an seinem Körper herab, bis sie an Mund, Brust und Hüfte einander berührten.
Dann bestand James darauf, dass sie ihren Schwimmunterricht wieder aufnahmen. Sarah war zu müde, um weiter mit ihm zu streiten, und überließ sich bereitwillig seinen Händen. Er stand zu seinem Wort und hielt sie über Wasser, während sie sich treiben ließ, Arme und Beine ausgebreitet. Bald stellte Sarah fest, dass er Recht gehabt hatte. Nie zuvor in ihrem Leben war ihr etwas beruhigender erschienen als das kühle Wasser, das sanft über ihre Haut strich.
Obwohl sie ab und an einen prüfenden Blick zum tieferen Teil der Lagune warf, hatte Sarah das Gefühl, sie könnte sich für immer und ewig so treiben lassen. Genau so, während James sie mit einer Hand hielt, der Mond über ihnen stand und es schien, als gäbe es auf der ganzen Welt nur sie beide.
"Wie seltsam", murmelte sie und bewegte ihre Arme leicht auf und ab.
"Was meinst du?"
"So viele Jahre lang war ich überzeugt davon, dass ich nur bei meiner Familie Freude und Zufriedenheit finden würde. Und jetzt habe ich beides, ohne überhaupt nur zu wissen, wie es meiner Familie geht."
Er antwortete nicht, hielt sie nur fest, als sie sich zu ihm umdrehte. Da er mit dem Rücken zum Mond stand, lag sein Gesicht im Schatten.
"Was ist mit deiner Familie, James?" fragte sie neugierig.
"Ich habe keine."
Sie hatte gehört, dass er den Titel von seinem Bruder geerbt hatte, wusste sonst aber nicht viel über ihn. Trotz seiner scheinbar so offenen Art sprach James Kerrick nur selten über das Leben, das er geführt hatte, ehe er zur See gegangen war. Ermutigt durch ihre Vertrautheit und seine entspannte Art, fragte Sarah weiter.
"Keine Familie? Keine Onkel, Tanten und Cousins?"
"Keinen, der diese Verwandtschaft zugeben würde", erwiderte er leichthin. "Wie der wichtigtuerische kleine Narr, der eines Tages den Titel übernehmen wird, falls ich ohne Erben sterbe, mir einst zu verstehen gab, möchte der Rest der Kerricks seine Tage beschließen, ohne meinen Namen zu hören oder meine skandalumwitterte Person auf ihrer Türschwelle zu sehen."
Der Teufel soll sie alle holen, dachte Sarah bei sich. Das klang genau wie bei der Familie ihrer Mama, die zu sehr von sich und ihrem Stand überzeugt gewesen war, um den Wert von jemandem wie Papa zu erkennen. Zugegeben, es war vielleicht nicht ganz leicht, die Qualitäten eines Mannes zu schätzen, der die Frau seines Admirals verführt hatte und nun seinen Lebensunterhalt mit Schmuggelfahrten verdiente. Doch das war keine Entschuldigung dafür, dass James' ganze Familie ihn ausgestoßen hatte. Sarah war um seinetwillen sehr wütend und sah ihn an.
"Es ist dir also egal, was die anderen Kerricks wollen. Aber was willst du, James?"
Er lächelte. "Einst wollte ich nichts weiter als die Uniform der Königlichen Marine."
"Und danach?"
"Danach?" Er zuckte die Achseln. "Eine steife Brise, ein schnelles Schiff und eine Ladung, die genug Geld einbringt, um die Phoenix auf dem Wasser zu halten und der Mannschaft genügend Rum zu spendieren."
Sarah wusste, sie sollte die nächste Frage nicht mehr stellen. Die Antwort würde ihr nur wehtun. Aber sie liebte diesen Mann zu sehr, um
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