Historical Exklusiv Band 06
tut, dann haben wir genügend Zeit zu entscheiden, ob es in freundlicher Absicht kommt oder nicht, ehe wir etwas von unserer Anwesenheit zeigen."
"Und wenn sie keine freundlichen Absichten haben?" fragte sie und fürchtete doch die Antwort.
"Dann werden wir entscheiden, ob wir unsere Seelen dem Teufel übergeben."
Die nächsten Stunden waren die längsten in Sarahs Leben.
James meinte, dass das Schiff bis zum Morgengrauen entweder bei ihnen sein oder vollkommen aus ihrer Sichtweite verschwunden sein würde. Es blieben ihnen nur die restlichen Nachtstunden, um sich für das erste Treffen vorzubereiten. Sarah folgte James' Anweisungen und half ihm, die kleine Hütte abzubauen und auch alle übrigen Beweise ihrer Anwesenheit auf dem Atoll zu beseitigen. Bis er entschied, dass es für sie ungefährlich wäre zu erscheinen, sollte sie sich in einer kleinen Kuhle verstecken, die er für sie graben wollte, im dichtesten Teil des Waldes.
Sarah, die gerade mit zitternden Händen an den Palmblättern zerrte, die in die Seitenwände der Hütte eingeflochten waren, widersprach. "Ich will mich nicht wie ein Tier verstecken müssen."
"Du wirst das tun, was ich dir sage."
"Aber ich kann dir nicht helfen, wenn ich in einem Loch hocke."
Fluchend riss er den Rahmen herunter, den er so sorgfältig errichtet hatte. "Verdammt, Sarah, du kannst mir auch nicht helfen, wenn du mit gespreizten Armen und Beinen am Strand liegst und die ganze Mannschaft Schlange steht, um sich mit dir zu amüsieren."
Sarah fühlte, wie sie erbleichte. Sie wusste, dass seine brutale Bemerkung dazu gedacht war, sie zu schockieren, damit sie gehorchte. Und tatsächlich fügte sie sich, aber nicht aus den Gründen, aus denen er es vermutete. James würde kämpfen, um sie vor so etwas Schrecklichem zu bewahren, wenn es sein musste, bis zum Tod. Sie wollte seinen Tod ebenso wenig, wie sie vergewaltigt werden wollte.
"Na schön, ich werde mich verstecken. Aber nur, wenn du es auch tust, bis wir wissen, mit wem wir es zu tun haben."
"Also gut, ich verstecke mich", erwiderte er finster. "Ich bleibe außer Sichtweite. Ich habe nicht die Absicht, meine Tage an eine Ruderbank gekettet zu beschließen." Er warf ihr ein kleines Bündel zu. "Hier, das solltest du mitnehmen."
Sie nickte, und ihre Kehle war wie zugeschnürt, als sie die Reste ihres Trauerkleides unter den Fingern spürte. Der vorher so steife und kratzige Stoff fühlte sich jetzt schlüpfrig an. Ohne Zweifel war es mit dem gleichen grünlichen Film bedeckt wie jeder Baumstamm und jeder Felsen nach den täglichen Regengüssen. Erschauernd legte Sarah es beiseite und fuhr fort, die Hütte niederzureißen, in der sie zur Frau geworden war.
Zusammen mit James verwischte sie so viele Spuren ihrer Anwesenheit, wie es in der Dunkelheit nur möglich war. Danach konnten sie nichts anderes mehr tun als abwarten. Als sie James zum Strand hinunterfolgte, sah Sarah das Licht des Schiffes zum ersten Mal. Es schimmerte golden im silbernen Schein des Mondes.
Ihr wurde übel, und ihre Kehle zog sich zusammen. Selbst sie konnte erkennen, dass das schwankende Licht direkt auf sie zukam.
Ihre zitternden Knie gaben nach, und sie sank auf den Felsen. Auch James setzte sich und zog sie auf seinen Schoß. Sie lehnte sich an ihn, mit dem Kopf an seiner Schulter, die Hände auf seine gelegt, die auf ihrer Taille ruhten. Unendlich langsam vergingen die Stunden.
Weder sie noch James sagten während dieser Zeit auch nur ein Wort.
Sarah hätte gern mit ihm gesprochen. Sie sehnte sich verzweifelt danach, ihm zu sagen, dass sie – was auch geschehen mochte – die Tage mit ihm niemals bedauern würde. Und auch nicht die Nächte.
Aber James hatte sie schon verlassen. Sie fühlte es an der Spannung, die sich seiner bemächtigt hatte, an der Konzentration, mit der er das ferne Licht betrachtete. Er hatte keinen Sinn mehr für die unmittelbare Vergangenheit, nur noch für die unmittelbare Zukunft.
Nach und nach hatten die Sterne ihren Glanz verloren. Der Himmel wurde heller, und die ersten Anzeichen für den Sonnenaufgang färbten den Horizont.
James wurde mit jedem Moment angespannter. Seine Brust fühlte sich an Sarahs Rücken so hart an wie ein Felsen. Er drückte sie immer fester an sich, bis sie kaum noch atmen konnte.
Bald färbte sich der Horizont rot, dann golden, und James stieß langsam den Atem aus.
Sarah drehte sich in seinen Armen herum. "Was ist? Was siehst du?"
"Quadratische Segel."
Nachdem sie so
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