Historical Exklusiv Band 06
beenden.
"George, darf ich dir meine Gemahlin vorstellen – Sarah, Viscountess Straithe."
15. Kapitel
"Hast du den Verstand verloren?"
Sarahs zorniges Flüstern war über dem Krachen der Zweige und Blätter kaum zu verstehen, während sie sich den Weg durch das Dickicht bahnten.
"Wahrscheinlich", stimmte James zu und bog einen Ast zurück, so dass sie darunter hindurchgehen konnte.
"Ich kann einfach nicht glauben, dass du mich Fortengay tatsächlich als deine Gemahlin vorgestellt hast."
"Wäre es dir lieber, ich hätte dich ihm als Miss Sarah Abernathy vorgestellt, Blaustrumpf und eine Frau von äußerst zweifelhaftem Ruf, nachdem sie mehrere Wochen allein mit einem berüchtigten Schwerenöter auf einer einsamen Insel verbracht hat?"
"Das wäre wenigstens die Wahrheit gewesen", fuhr sie ihn an und warf dem Lieutenant vor ihr einen wachsamen Blick zu.
Seine Kühnheit erstaunte sie. Er bezeichnete sie als seine Frau, ohne sie nach ihren Wünschen in dieser Angelegenheit befragt zu haben, ohne den Segen eines Menschen oder Gottes, und zum Teufel mit dem Rest der Welt! Wie sehr ihm das doch ähnlich sah!
In ihrer Erregung stolperte Sarah über eine vorstehende Baumwurzel. James fing sie auf. Sie entzog sich seinem Arm. Wieder warf sie einen raschen Blick auf den Lieutenant, dann wandte sie sich ihrem angeblichen Gemahl zu.
"Wir können diese Farce vielleicht an Bord des Schiffes aufrechterhalten", flüsterte sie. "Aber es wird keinen Sinn haben, wenn wir in die zivilisierte Welt zurückkehren. Man kennt uns! Die Leute werden wissen, dass wir unmöglich verheiratet sein können."
"Unsere Rückkehr in die Zivilisation ist noch längst keine ausgemachte Sache", meinte er mit schiefem Lächeln. "Das wirst du sehen, wenn du den Zustand unseres Rettungsschiffes siehst. Komm, Sarah, ich habe nicht die Zeit, alles jetzt zu erklären. Wir müssen so schnell wie möglich an Bord."
Er nahm ihren Arm und zog sie hinter dem Lieutenant her. Wenige Augenblicke später traten sie aus dem Wald heraus. Sarah stockte der Atem bei dem Anblick, der sich ihr bot.
Ihre kleine Insel wimmelte von Leben. Boote fuhren durch die Lagune. Matrosen in schmutzigen weißen Hosen, zerknitterten Hemden und geknoteten Halstüchern standen bis zu den Knien im Wasser, um Kisten und Truhen auszuladen. Andere rollten Fässer ans Ufer. Einige der Männer trugen, wie Sarah bemerkte, blutige Verbände an Armen, Brust oder Kopf. Der Bootsmann, der die Männer mit einer silbernen Pfeife zur Arbeit antrieb, bewegte sich mit Hilfe einer Krücke durchs Wasser.
Starr vor Staunen beobachtete sie die Szene, doch es war die Fregatte, die vor dem Riff vor Anker lag, die schließlich ihre Aufmerksamkeit fesselte. Wie die Phoenix war auch die Constant ein Dreimaster, aber damit hörten die Ähnlichkeiten auch schon auf.
Der Besanmast war auf die Hälfte gekürzt worden. Die Takelage und die Segel hingen in Fetzen herab. Der Fockmast fehlte völlig, nur ein zersplitterter Stumpf war von ihm übrig. Große Teile der Reling fehlten, ebenfalls einige Kanonenluken. Beim Anblick des großen Lochs im Rumpf, direkt über der Wasserlinie, stockte Sarah der Atem.
"Wir werden doch wohl nicht mit diesem Schiff segeln", meinte sie schwach. "Es hat mehr Risse und Löcher als mein Kleid."
"Wir werden sie flicken", versicherte James. "Sie ist ein gutes Schiff. Ein bisschen langsam bei schwerem Seegang, aber sonst in Ordnung."
Sie warf ihm einen schnellen, erschrockenen Blick zu. "Woher weißt du das?"
"Kurz vor Trafalgar stieß die Constant zu unserer Schwadron, und in der Schlacht hat sie sich tapfer gehalten. Komm, lass uns jetzt an Bord gehen."
Der Lieutenant ging voraus, und James schob Sarah ans Ufer. Bei ihrer Ankunft unterbrachen die Männer ihre Arbeit. Mit offenen Mündern und großen Augen starrten sie den Fremden und Lieutenant Fortengay an, vor allem die Frau in der Mitte. Sarah konnte sich vage vorstellen, welchen Anblick sie bot. Sie errötete und versuchte, mit dem zerrissenen Ärmel ihren gebräunten Arm zu verstecken, bemühte sich, nicht an ihre bloßen Füße zu denken oder daran, wie ihr das Haar offen über die Schultern fiel.
Lieutenant Fortengay winkte einem leeren Boot zu, damit es die Passagiere mitnahm, dann drehte er sich zu seinem einstigen Vorgesetzten um. "Ich werde an Land bleiben, Sir."
Man bricht nicht leicht mit alten Gewohnheiten, dachte Sarah, als sie den Respekt bemerkte, mit dem der junge Offizier James ansprach.
"Ich habe
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