Historical Exklusiv Band 06
machten diese lächerlichen Hoffnungen zunichte.
"Eine Heirat mit mir wird dich in den Augen der Welt nicht erheben", sagte er ihr ganz unverblümt, "wenigstens würde dir jedoch dadurch erspart, als Hure gebrandmarkt zu sein."
"Ist das so, James?"
Die leise Frage mit so verletzt klingender Stimme veranlasste ihn, die Lippen zusammenzupressen. "Dies ist das Beste, was wir tun können, Sarah. Von dem Augenblick an, da ich erkannte, dass es sich um ein britisches Schiff handelt, wollte ich den Kapitän bitten, uns zu trauen."
"Das wolltest du?"
"Ja."
Sie schluckte. "Ich vermute, du wirst mir noch sagen, warum du mir von dieser Absicht nichts mitteiltest?"
"Dazu war keine Zeit. Fortengay sagte mir, dass sein Kapitän ernsthaft verwundet ist. Ich wusste, ich musste dich so schnell wie möglich an Bord bringen."
Ein Schauer überlief Sarah. "Jetzt, da du weißt, wer der Kapitän ist, möchtest du da immer noch, dass er uns traut?"
James' Züge verhärteten sich. "Ja. Er wird das Wissen über das, was heute hier geschehen ist, mit in sein Grab nehmen. Außer uns muss niemand erfahren, dass die Trauung nach den Flitterwochen kam."
"Ich verstehe."
"Tust du das wirklich, Sarah?" Er sah sie an. "Ich versprach deinem Vater, dich sicher nach England zu bringen. Daran werde ich mich halten."
"Ach ja. Wie konnte ich das vergessen? Du hast ja dein Wort gegeben."
"Verdammt, du weißt, dass es nicht nur darum geht. Wir haben Vergnügen aneinander gefunden, Sarah, mehr, als ein Mann und eine Frau erwarten dürfen. Alles andere, das mit einer Ehe verbunden ist, können wir lernen." Er schüttelte den Kopf. "Ich weiß, ich mache das nicht besonders gut, aber wir haben keine Zeit für süße Worte und leise Versprechungen. Denhams Uhr läuft ab. Wenn wir es tun wollen, dann muss es schnell sein."
Als sie zögerte, umfasste er ihr Kinn. Diesmal entdeckte sie keine Heiterkeit in seinen blauen Augen. Auch keine Liebe. Nur den festen Vorsatz, seinen Willen durchzusetzen.
"Ehe wir nach Macao fuhren, um Abigail und Charlie abzuholen, sagtest du, ich könnte von den Schwestern Abernathy diejenige zur Frau nehmen, die ich will und die ich überzeugen kann, mich zu heiraten. Ich wähle dich, meine eigensinnige Sarah. Ich wähle dich."
"Du hast mich vielleicht gewählt, Straithe, aber …"
"Ich werde dich heiraten, Sarah, und wenn ich dich vorher bewusstlos schlagen muss."
Sie konnte sich nicht länger gegen ihn wehren. Dazu fehlte ihr die Kraft und auch der Wille. Wie sie es sich so oft in den letzten Wochen gesagt hatte – Gott würde es schon richten. Offensichtlich hatte er es für sinnvoll gehalten, ihr einen Ehemann zu schicken, der sie heiraten wollte, um ihren Namen zu retten – und um das Versprechen zu halten, das er einem sterbenden Missionar gegeben hatte.
Sarah nickte wie benommen. "Ich werde dich heiraten."
"Gut!"
Sie ertrug Denhams höhnischen Blick, während James dessen Schreibtisch nach der Bibel durchsuchte und nach dem Kapitänsbuch. Der Sterbende war zu schwach, um das schwere Buch in seine Hände zu nehmen. James hielt es für ihn und sagte ihm die notwendigen Formeln vor, wenn Denhams Stimme brach.
Während der kurzen Zeremonie stand Sarah reglos da. Vor langer Zeit schon hatte sie die Mädchenträume von einer romantischen Hochzeit in einer mittelalterlichen Kapelle aufgegeben, bei der sie von ihrem Papa geleitet wurde, während Orgelmusik erklang und Abigail ihre Brautjungfer war. Es war Jahre her, seit sie sich ein schlichtes, aber fröhliches Fest vorgestellt hatte, bei dem ihre ganze Familie und alle Freunde unter einer Ulme saßen, um diesen Freudentag mit ihr zu erleben.
Aber als sie in der übel riechenden Kajüte stand und mit James Kerrick, dem dritten Viscount of Straithe verbunden wurde, erinnerte sie sich wieder an die Träume ihrer Mädchenzeit. Niemand aus der Familie war bei ihr, keine Freundin, es gab keine stimmungsvollen Orgelklänge.
Und es gab auch keinen Ring oder Kuss, mit dem das Bündnis besiegelt wurde. Sobald die kurze Trauungszeremonie vorüber war, legte James die Bibel weg und nahm ein Stück Papier und eine Feder. Er kritzelte ein paar Zeilen und ließ sie ihren Namen darunter schreiben. Als sie das getan hatte, nahm er den Federkiel aus ihren kraftlosen Fingern.
"Warte draußen auf mich, Sarah."
Sie wandte sich um und griff nach dem Türriegel, überließ James und den Mann auf dem Sterbebett sich selbst.
16. Kapitel
In den langen Stunden nach der Trauung
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