Historical Exklusiv Band 36
ihr wieder der Traum ein. Hier stand sie nun auf dem Rand der Klippen. Und hinter ihr, zwar nicht im Sonnenlicht und in seiner schimmernden Rüstung und dem Helm, sondern in seiner Alltagskleidung mit einem gepolsterten Wams, Breeches und Stiefeln, ein Barett unter dem Arm, war der Goldene Adler. Und er wandte sich nicht ab, sondern kam zu ihr und rief ihren Namen.
Sie wartete.
Drei Fuß vor ihr blieb er stehen, als hätte er Angst, näher zu kommen. Eindringlich hielt er ihr die Hand entgegen.
„Genevra“, bat er. „Tut es nicht!“
„Was soll ich nicht tun?“, antwortete Genevra heiter, aber fragend.
„Hinunterspringen! Genevra, Weib, Ihr dürft Euch nicht töten! Teure Gemahlin, Will und ich brauchen Euch.“
Seine Worte, die Angst in seinen Augen, brachten den Damm zum Einsturz. Doch dieses Mal weinte Genevra nicht. Es hatte nicht aufgehört, zu hageln, der Sturm umbrauste sie, die beiden indes merkten es nicht. Genevra lächelte, ein heiteres Lächeln, wie es die letzten fünf Monate nicht ihr Gesicht erhellt hatte.
„Ich wollte nicht springen, Robert. Ich bat Gott, mir zu helfen. Und er hat meine Gebete erhört! O Robert!“
Und sie warf sich in seine ausgebreiteten Arme.
Dann kamen die Tränen, heilsame Tränen, die Roberts Wams mehr durchweichten, als der Hagel es tat, der nun allmählich nachließ.
„Meine teure Gemahlin“, sagte Robert, seine Wange an ihre Brust gedrückt. „Dem Himmel sei Dank! Ich dachte, ich hätte Euch in die Todsünde des Selbstmordes getrieben!“
„Nein, Robert. Der Sturm entsprach meiner Stimmung, und ich sehe gerne den Wellen zu, wenn sie sich an den Felsen brechen. Ich war verzweifelt, doch ich wollte nicht sterben. Ich liebe Will zu sehr, um ihn zu verlassen.“
Sie erwähnte nicht ihre Liebe zu Robert von Neuem, denn wozu sollte das dienen? Er wollte ihre Liebe nicht. Doch hatte er Verlangen nach ihr. Und das sollte ihr für den Augenblick genug sein.
„Dem Himmel sei Dank!“, wiederholte er. „Ihr seid völlig durchnässt. Kommt.“
Er wartete nicht, sondern hob sie hoch und trug sie in seinen Armen in die Burg. Whimsy folgte ihnen ängstlich zitternd. Es war ein langer Weg, und Genevra befürchtete, dass sie ihm zu schwer werden könnte, indes er wankte nicht.
Sie legte einen Arm um seinen Nacken, die andere Hand presste sie gegen seine Brust. Das kräftige Klopfen seines Herzens war beruhigend. Schnellen Schrittes stieg er die Treppen empor, durchschritt die Große Halle und trug sie ins Schlafgemach.
Sigrid wandte ihr junges, frisches Gesicht zur Türe, als sie eintraten, und ihre Augen wurden groß vor Erstaunen.
Sie ließ die Näharbeit fallen und sprang auf. „Mylady! Ihr seid ganz nass. Lasst mich …“
„Lass uns allein“, sagte Robert kurz. Nun ging sein Atem schwer. „Nimm den Hund mit und reib ihn trocken.“
Sigrid neigte den Kopf. „Ja, Mylord.“ Sie zog eine sich sträubende Whimsy hinter sich her, als sie den Raum verließ.
Genevra fragte sich, was die Dienerin nun wohl im Rittersaal erzählen würde. Doch es kümmerte sie nicht weiter, denn Robert hatte sie auf das Bett gelegt und begonnen, ihr die nassen Kleider auszuziehen.
Beide waren von einer überschäumenden, fast fieberhaften Leidenschaft ergriffen. Genevra protestierte nicht, sondern half ihm, ihre Kleider abzulegen. Er erhob keine Einwände, als sie mit klammen Fingern versuchte, die Verschnürung seines Wamses zu öffnen, die Knoten an seinem Hemd, das Schnürband seiner Hose. Es dauerte bloß wenige Augenblicke, bis beide nackt auf dem Bett lagen.
Robert zügelte seine Leidenschaft. Genevra drängte ihn nicht. Sie genossen die kostbaren Augenblicke der Zärtlichkeit, des gegenseitigen Verstehens, der gemeinsamen Freuden. Sie führten zu einer Vereinigung, die die Trennung der letzten Monate vergessen ließ. Genevras Befürchtungen indes, dass Robert sie nicht lieben und noch immer an ihr zweifeln könnte, blieben bestehen.
Gemeinsam erreichten sie den Gipfel der Lust. Genevra glaubte zu schweben, sah sich entspannt und zufrieden unter dem kräftigen, muskulösen Körper ihres Gemahls liegen. Er hatte das Gesicht in ihrem Haar geborgen, das sich, gelöst aus seinem Schleier und dem Haarnetz, auf dem Kissen ausgebreitet hatte. Als er den Kopf hob, blickte sie ihn an mit all der Liebe, die sie für ihn empfand.
Er sah die Liebe in ihren Augen nicht. Leise sagte er: „Mein süßes Herz“, küsste sie zärtlich, rollte zur Seite und barg sie in seinen Armen,
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