Historical Exklusiv Band 42
dem Earl of Arndale ebenfalls einen sehr persönlichen Beigeschmack. Sie verspürte Dankbarkeit, Wut, Angst und Sehnsucht in einer wilden Mischung, die bedenklich zu werden drohte.
Welches Gefühl jeweils überwog, hing stark davon ab, was er gerade sagte, ob er sie verärgerte oder ängstigte oder ob es sich um einen dieser flüchtigen Augenblicke handelte, an denen sich ihre Blicke trafen, miteinander verschmolzen und sie sich fühlte, als bestehe eine ganz besondere Verbindung zwischen ihnen. Dann fing ihr Herz wie wild an zu schlagen, und sie verspürte einen seltsamen Schmerz tief in ihrem Inneren. Das musste Angst sein. Angst davor, was er über sie herausfand, Angst davor, bloßgestellt zu werden. Wenn sie ehrlich war, befürchtete sie jedoch, dass es sich um etwas ganz anderes handelte, um ein rohes, uraltes Gefühl, noch dazu eines, das jungen Damen, besonders anständigen unverheirateten Damen, nicht zu fühlen erlaubt war.
Sie konnte nur froh sein, dass sie ihn während der ersten Woche, in der sie bei Lady Parry wohnte, nicht zu Gesicht bekam.
„Hast du Nicholas in letzter Zeit gesehen?“, fragte Lady Parry ihren Sohn am Mittwoch nach ihrem Einzug beim Frühstück.
„Hm?“ William schob die Zeitung beiseite, in der er zum Schein eifrig geblättert hatte, und legte nachdenklich seine Stirn in Falten. „Zwei … nein, drei Mal. Du kennst Nick doch, er schneit immer dann herein, wenn man am wenigsten mit ihm rechnet. Also, wann war das doch gleich? Oh, ja, er hat Samstag im ‚Waiter’s‘ vorbeigeschaut, als ich mit Hemsley und ein paar von den Jungs Karten gespielt habe. Dann ist er gerade rechtzeitig in ‚Jackson’s Saloon‘ aufgetaucht, als ich Jack eine fürchterliche Rechte verpasst habe. Das war Montagnachmittag.“
„Ist Jackson nicht der berühmte Faustkämpfer?“, fragte Talitha nach. „Und du hast es geschafft, ihn zu niederzuschlagen? Du meine Güte!“
„Um Himmels willen, nein.“ Lord William wurde rot wegen ihres Lobes, korrigierte sie jedoch eilfertig. „Niemand versetzt dem großen Jackson einen Schlag, wenn er es nicht zulässt, nein, es war Jack Hemsley.“
„Ach so. Trotzdem glaube ich, dass du recht gut sein musst, dass du Zutritt zu ‚Jackson’s Saloon‘ hast“, fuhr Talitha ermutigend fort. „Darf ich dich um die Marmelade bitten? Danke. Und wann hast du Lord Arndale ein drittes Mal gesehen?“
„Äh, ja, gestern Abend.“ William schien sich nicht weiter erklären zu wollen. Talitha hingegen, davon überzeugt, ein Muster erkennen zu können, bedrängte ihn weiter.
„Wo denn? Ich höre so gerne alles über die Plätze, an denen man sich so trifft. Ich kann es kaum erwarten, mich in der Gesellschaft zu bewegen“, fügte sie aufrichtig hinzu.
„Dorthin wirst du wohl eher nicht gehen“, erwiderte William und warf seiner Mutter einen gehetzten Blick zu. Lady Parry jedoch hatte sich ihren Briefen zugewandt und war eifrig dabei, diverse Umschläge mit ihrem Buttermesser zu öffnen.
„Erzähl schon“, forderte Talitha ihn leise auf. Sie bedachte William mit einem Blick, der ihn davon überzeugen sollte, ein richtiger Draufgänger zu sein.
„Na ja … es ähnelt ein bisschen der Hölle, wenn du es genau wissen willst. Ich habe mich einigermaßen unwohl gefühlt.“ William errötete. „Einige der jungen Damen dort waren … waren …“
„… keine Damen?“, schlug Talitha vor. Gesegnet sei dieser Junge, er war tatsächlich überaus anständig.
„Genau.“ Er sah sie an, dankbar für ihre taktvolle Umschreibung. „Ich wusste nicht, wie ich es anstellen sollte, von dort wegzukommen; ich meine, ich war eingeladen, und es erschien mir unhöflich, einfach zu gehen. Und dann kommt Nick hereinspaziert, sieht zu Tode gelangweilt aus, verzieht das Gesicht und knurrt mich an, er habe überall nach mir gesucht und ob ich vergessen hätte, dass ich an diesem Abend mit ihm im ‚White’s‘ verabredet gewesen sei. White’s! Als ob ich das vergessen hätte!“
Seine Augen glänzten, und Talitha erinnerte sich, dass der fragliche Club der exklusivste der ganzen Stadt war und sicherlich einer, bei dem jeder junge Mann davon träumte, irgendwann Mitglied zu werden. Die Ehre, für einen Abend dorthin eingeladen zu werden, musste überwältigend sein.
„Dann bist du also mit ihm gegangen?“, hakte Talitha nach. William glühte vor Stolz und nickte. „Mr Hemsley war wohl ein wenig aufgebracht.“
„Na ja, schon etwas. Aber mit Nick diskutiert man nicht,
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