Historical Exklusiv Band 42
rauen Klang. Seine Hände lagen wieder auf ihren Schultern und zogen sie jetzt unerbittlich zu ihm hin. „Nein?“
Sie sollte zurückweichen. Sie sollte nein sagen. Sie sollte … sie sollte sich von ihm küssen lassen.
Talitha verschloss ihre Augen vor dem Feuer in den seinen und hörte auf, sich gegen ihn zu wehren. Seine Hitze, ihr von der Begegnung im Atelier noch gut in Erinnerung, schien sie durch den Stoff ihres Kleides hindurch zu verbrennen. Dass er eine solche Ausstrahlung hatte – männlich, aufregend, überdeckt von dem zivilisierten Hauch eines herben Rasierwassers – hätte sie sich dagegen nicht vorstellen können.
Nicht im Traum hätte sie wissen können, wie sich sein Mund auf dem ihren anfühlen würde, ihr erster Kuss. Dass seine Lippen sowohl weich als auch fest sein konnten, fordernd und doch sanft. Dass ihre vor Schreck geöffneten Lippen sich ihm ohne ihr Zutun weiter öffnen würden und sich seine Zunge – welch ein Schreck – kosend hineindrängen würde. Nicht im Entferntesten wäre ihr in den Sinn gekommen, dass ein behutsamer Kuss ausreichte, ihre Brüste schmerzen zu lassen und seltsame, ungewohnt lustvolle Botschaften ihren Leib hinabzuschicken …
Keuchend schrak Talitha zurück, und Nick ließ sie auf der Stelle los. Seine Augen waren dunkel, sein Atem kam in kurzen Stößen, doch die emotionslose Maske der Selbstbeherrschung war bereits wieder am Platz. Als sie den Fehler beging, den Blick vor ihm zu senken, musste sie entsetzt feststellen, wie unzureichend diese modisch engen Hosen waren, wenn es darum ging, erweckte männliche Leidenschaft zu verbergen.
Röter als ich bin, kann man gar nicht mehr werden, dachte Talitha kopflos, während sie Zuflucht hinter einem Stuhl suchte. Und ich habe gedacht, Nicholas Stangate gäbe mir ein Gefühl von Sicherheit! Ich muss verrückt gewesen sein. Blind und taub. „Mylord …“
„Cousin Nicholas.“
„Das war alles andere als verwandtschaftliches Gebaren!“ Sie konnte ihn nicht ansehen.
„Cousins dürfen sich auch küssen. Und adoptierte ganz sicher. Es tut mir leid, wenn ich dir Unbehagen bereitet habe, Cousine Talitha, es schien mir nur so, dass du deiner Wirkung auf wohl die meisten Männer, denen du begegnest, nicht bewusst bist. Ich halte es für das Beste, wenn du dich vorsiehst, bevor irgend so ein Windhund deine bezaubernde Schüchternheit zum Anlass nimmt, sich dir gegenüber Freiheiten herauszunehmen. Also dachte ich mir, eine kleine Demonstration sei angebracht.“
„Demonstration!“ Jetzt sah sie ihn doch an. Unglauben spiegelte sich sowohl in ihrer Stimme als auch in ihrer Miene.
„Ja, natürlich. Vor mir bist du absolut sicher. Ich gehe jetzt, damit du dich ausruhen kannst, wie Tante Kate es vorgeschlagen hast. Guten Tag, Cousine Talitha.“
Sicher? Sicher? In einem geschlossenen Raum zusammen mit Jack Hemsley wäre sie sicherer! Zumindest wüsste sie da, wie sie auf Annäherungsversuche reagieren würde – mit einem Schlag ins Gesicht für den Anfang. Bei Nicholas Stangate hingegen wusste sie ebenfalls genau, was sie wollte, doch ihr war klar, dass er der letzte Mann in London war, bei dem sie ihre Vorsicht fahren lassen durfte. Wenn sie daran dachte, dass sie sich erst ein paar Tage zuvor überlegt hatte, dass es sie reizen würde, eine Reaktion zu provozieren, die weder kontrolliert noch moderat war!
Da stand sie nun, fein säuberlich in ihre eigene Falle getappt. Er schaffte es offensichtlich problemlos, seine Leidenschaft zu zügeln, wann immer er es für richtig befand. Nun war sie diejenige, die mit klopfendem Herzen und verwirrendem Verlangen zurückblieb.
Talitha sollte nicht lange über Lord Arndale grübeln müssen. Am nächsten Tag erklärte Kate Parry die Vorbereitungen ihres Schützlings für den Beginn der Ballsaison für abgeschlossen – bis auf eine Ausnahme.
„Dein Haar, Tallie“, verkündete sie so dramatisch, dass Talitha zusammenzuckte und beinahe die Mappe mit den Exposés fallen ließ, die Nick ihr dagelassen hatte. Ärgerlicherweise sahen alle äußerst vielversprechend aus, sowohl diejenigen, die für eine Schule vorgesehen waren, als auch die Logierhäuser. Was immer sie von der Quelle dieser Informationen halten mochte, Talitha war zu klug, als dass sie nicht die Möglichkeiten nutzte, die ihr so gebieterisch eröffnet worden waren.
„Mein Haar, Tante Kate?“ Talitha legte die Mappe beiseite und sah Lady Parry skeptisch an.
„Ja, meine Liebe. Alles andere ist
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