Historical Exklusiv Band 42
Frauen genauso mühelos – und gedankenlos – erfolgreich wie in allem anderen, was er anfasste. Er selbst dagegen hatte sich als Oberhaupt der Familie jede kleine Leistung mühselig erkämpfen müssen.
Er erinnerte sich noch gut an Devlins Geburt. Er war in den Schulferien nach Hause gekommen und mit zehn Jahren bereits alt genug, um auf Percy, Helen, Julia und Lavinia aufzupassen, während seine Mutter in den Wehen lag. Als er dann das Neugeborene in den Armen hielt, schwor er, seinen jüngsten Bruder stets zu beschützen und zu verteidigen.
Devlin hatte diesen Schwur zu einer ständigen Herausforderung gemacht, da es kein unbekümmerteres Individuum als ihn gab. Es wunderte Ned nicht, dass Devlin zur Kavallerie gegangen war. Wäre er nicht der Erbe gewesen, hätte er seinem Land vermutlich auch gedient und an der Seite seines Bruders gekämpft. So aber blieb ihm nichts anderes zu tun, als einen fast toten Devlin nach Hause zu bringen.
„Ned? Bereitet dir etwas Kummer?“ Serenas sanfte Stimme holte ihn aus seinen Überlegungen.
„Was?“
„Ich dachte, du machst dir Sorgen.“ Sie mied es, ihn anzusehen.
„Nein, das mache ich nicht.“ Hätte sie gewusst, worüber er nachdachte, wäre er in ihren Augen zweifellos schwach erschienen.
„Ich bitte um Verzeihung“, sagte sie leise.
Eigentlich müsste er sie um Verzeihung bitten, weil er sich so abscheulich verhielt. Wie er das jedoch anstellen sollte, wusste er nicht. Ihm kam es vor, als sei das zwischen ihnen herrschende Schweigen eine Verurteilung.
„Du missbilligst mein Verhalten gegenüber meinem Bruder“, platzte es aus ihm heraus.
„Ich würde deine Entscheidung niemals infrage stellen“, erwiderte sie erstaunt.
„Du glaubst, ich bin zu hart zu ihm.“
„Ich würde niemals …“
Ein Kopfschütteln zeigte an, dass er ihre Worte nicht gelten ließ, woraufhin sie mit zitternden Fingern ihre Gabel zum Mund führte.
Nach acht Jahren Ehe war seine Gemahlin noch immer eine atemberaubend schöne Frau, deren Zurückhaltung der Inbegriff dessen war, was sich für eine Dame geziemte. Er konnte sich nicht über sie beklagen. Serena war folgsam, auch wenn er seine fleischlichen Gelüste ausleben wollte – was er so selten tat, wie er nur konnte. Der Liebesakt war für ihr Empfinden zu schmerzhaft, doch sie sehnte sich nach Kindern, und er wollte sie ihr schenken.
Auch in diesem Punkt hatte er versagt.
Ned leerte sein drittes Glas Wein. „Gehst du heute Abend noch aus, Serena?“
Sie zuckte beim Klang seiner Stimme zusammen. „Nein“, antwortete sie, blickte aber nur kurz in seine Richtung.
Das überraschte ihn. In letzter Zeit hatte sie es sich zur Gewohnheit gemacht, Freunde zu abendlichen Veranstaltungen zu begleiten, von denen er sich immer häufiger fernhielt.
„Ich werde mich früh zurückziehen“, erklärte sie und drückte die Fingerspitzen gegen ihre Schläfen. „Ich … ich habe Kopfschmerzen.“
Das war seine Schuld. Er machte sie krank. Er schenkte sich noch ein Glas Wein ein, während er überlegte, dass er seiner Besorgnis Ausdruck verleihen und ihr anbieten sollte, ihr das Pulver gegen Kopfschmerzen zu bringen, sie nach oben in ihr Zimmer zu begleiten und ihr ins Bett zu helfen.
Nichts davon setzte er in die Tat um.
„Wenn du mich entschuldigen würdest …“ Sie stand auf und verließ das Zimmer, ohne auf eine Erwiderung von ihm zu warten. Vermutlich rechnete sie auch gar nicht damit.
Ein Diener kam zu ihm und räumte zügig den Tisch ab. Ned bedeutete ihm, auch seinen noch fast vollen Teller mitzunehmen. Als der Mann ihm dann den Brandy brachte, fragte sich Ned, wie viel sich am Ende des Abends noch in der Flasche befinden würde.
8. KAPITEL
D evlin suchte sich im White’s einen Platz, der weit von den Fenstern entfernt war. Er wollte seinen Brandy in Ruhe trinken können, fernab von neugierigen Passanten draußen auf der Straße. Bevor er sich auf eine erneute Runde durch die feine Gesellschaft machte, um irgendwo Arbeit zu finden, musste er sich erst einmal stärken. Nur warum sollte es an diesem Nachmittag anders als an einem der anderen Tage der vergangenen zwei Wochen sein? Er hatte bei den wenigen Senioroffizieren angefragt, die wie er den Krieg überlebt hatten, und auch keine der denkbaren Verbindungen innerhalb der Familie unversucht gelassen.
Angesichts dieser Misere wäre es ihm sogar lieber gewesen, die kalten, nassen Nächte in der Gesellschaft von Soldaten zu verbringen, die wussten, dass eine
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