Historical Gold Band 251
den Schultern, um sein Entsetzen zu verbergen. Miss Lowell besaß Feuer. Intelligenz. Eine beinahe überirdische Schönheit. Und doch wollte sie nicht nach etwas greifen, was ihr in ihrer Stellung, wie sie glaubte, nicht zustand? Was für eine schreckliche Verschwendung.
Wer auch immer in ihrem Medaillon abgebildet war, musste in Bezug auf diese Frau einiges auf dem Kerbholz haben.
„Ich könnte mir vorstellen“, sagte er ruhig, „dass man Ihnen schon Ihr ganzes Leben lang Vorträge über Ihre Stellung hält. Dass man Ihnen immer wieder erklärt hat, was Sie zu tun und was Sie zu lassen haben, und das alles nur wegen des Zufalls Ihrer Geburt. Das ist albern.“
Ihre Nasenflügel bebten, und ihre Finger krallten sich um den Schlüssel, den er ihr gegeben hatte.
Ash fuhr fort: „Was wissen die denn schon? Kennen sie Ihre geheimen Träume, denen sie nur in dunkler Nacht Ausdruck verleihen? Lassen Sie sich von Ihrer Stellung nicht ersticken.“
Ihr Busen bewegte sich nicht, als wagte sie nicht auszuatmen.
„Und wenn ich Ihnen nicht einmal mehr das Handgelenk küssen dürfte, ich möchte, dass Sie vergessen, was man Ihnen eingetrichtert hat.“
Unwillkürlich berührte sie ihr Handgelenk, als könnte sie seinen warmen Atem dort spüren.
„Sagen Sie Ash zu mir“, bat er und lächelte. „Nicht mir zuliebe, sondern als kleine Geste der Auflehnung. Sagen Sie Ash zu mir, weil Sie es verdient haben. Denn Ihre Stellung gründet nur auf ein paar Worte im Pfarrregister, sie ist kein Todesurteil.“
Sie schluckte und schwankte in seine Richtung – nur ein winziges Stück, aber sie bewegte sich immerhin. Ash stand ganz still, drängte sie innerlich, näher zu kommen. Sie öffnete den Mund und benetzte ihre Lippen mit der Zunge. Beim Anblick ihrer Zungenspitze begann sein Blut zu kochen.
„Ash.“ Sie hauchte das Wort, als wäre es der einzige Name auf Erden. Er stand da, beinahe berauscht vom Klang seines Namens auf ihren Lippen. Ja. Ja.
„Ja?“ Seine Stimme klang heiser.
Sie sah ihm in die Augen. In ihrem Blick begegnete er all der Kraft, jedem Zoll Rückgrat, die er sich wünschte. Kerzengerade richtete sie sich auf. Er konnte sie schon beinahe schmecken.
„Ash“, wiederholte sie fester. „Ich habe kein Interesse daran, Ihre verkommene Liebessklavin zu sein. Und nun lassen Sie mich in Ruhe .“
4. KAPITEL
A m nächsten Mittag brannte die Sonne so heiß herunter, dass die Hitze von dem Weg vor ihr flirrend aufstieg und die zwei Meilen entfernte Stadt zu braunen Flecken verwischte. Die Haarnadeln bohrten sich wie angriffslustige kleine Insekten in Margarets Kopfhaut.
Am Vorabend hatte sie einen Brief an ihren Bruder geschrieben. Damals, als sie den Plan gefasst hatten, waren sie in dem Glauben gewesen, Margaret bekäme Mr Turner nur im Vorbeigehen zu sehen und würde ihrem Bruder nur den Dienstbotenklatsch weitertragen können. Doch nun hatte sie seitenlang von jenem ersten Abend berichtet. Nachdem sämtliche Fakten aufgezählt waren, hatte sie Folgendes hinzugefügt:
Nichts davon fängt das Wesen dieses Mannes richtig ein. Trotz aller gewinnsüchtiger kaufmännischer Eigenheiten halte ich Ash Turner für weitaus gefährlicher, als wir geglaubt hatten, und zwar aus einem Grund, der niedergeschrieben recht harmlos wirkt: Er bringt die Leute dazu, dass sie ihn mögen. Aber denk doch nur, was das bedeuten könnte, wenn er sich an die Parlamentarier wendet, die über die Frage entscheiden werden.
Der Brief an ihren Bruder steckte in der Innentasche ihres Mantels. Die harten Ecken stachen sie immer wieder in die Rippen als spürbare Mahnung. Sie war zurückgeblieben, weil ihre Familie sie brauchte. Weil sich das Parlament, wenn es im November wieder zusammentrat, der Frage widmen würde, ob es ihrer Familie per Gesetz Legitimität verleihen und die ganze Geschichte aus dem Weg räumen sollte.
Als sie den Plan ausgeheckt hatten, war die ihr zugedachte Rolle sehr simpel gewesen: Sie sollte Mr Turners Schwächen auflisten. Sie würde die Briefe schreiben, die ihr Vater diktierte, und ihre eigenen Beobachtungen anfügen. Diese Beobachtungen sollten zeigen, dass Ash Turner völlig unfähig war, das Gut zu verwalten. Die Beweise würden gesammelt, säuberlich zusammengestellt und dann im Herbst an die Lords geschickt werden, wenn ihre Brüder ihre Petition einreichten.
Margaret hatte geglaubt, sie könne ihren Vater bitten, den Brief für sie freizumachen, und ihn dann zur übrigen Post auf das Tischchen in
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