Historical Lords & Ladies Band 39
sich, den Liebeskummer zu verwinden, um bei der nächsten Begegnung mit Philip gefasst und selbstsicher zu erscheinen.
Der Butler hatte Philip in der Bibliothek frischen Tee serviert. „Lassen Sie die Tür auf, Carring“, sagte Philip und wandte sich wieder der Lektüre der ‚Times‘ zu.
„Wie Sie wünschen, Mylord“, erwiderte Eugen, verbeugte sich und verließ den Raum.
Mürrisch hörte Philip nach einer Weile zu lesen auf, blickte zum Fenster und fand, das trübe Wetter passe gut zu seiner Stimmung. Antonia hatte ihm keine Gelegenheit gegeben, ihr die missverständliche Szene mit Lady Ardale zu erklären. Er hatte volles Vertrauen zu ihr, sie hingegen offensichtlich nicht, obwohl ihm von ihr das Gegenteil versichert worden war. Gewiss, er galt als Lebemann und hatte keine Anstalten gemacht, diesen Ruf zu beschönigen. Aber Antonia und er waren seit vielen Jahren befreundet. Er hatte gedacht, das würde mehr in die Waagschale fallen. Seiner Ansicht nach war die Sache klar. Antonia hätte wissen müssen, was sie von der Situation in Lord Carstairs Bibliothek zu halten hatte. Sie hätte ihn, Philip, besser kennen müssen und nicht nur dem Augenschein Glauben schenken dürfen.
Missmutig verzog er das Gesicht und wandte sich wieder der Lektüre zu. Im gleichen Moment hörte er im Korridor ein Geräusch, sprang auf und eilte zur Tür. Ehe Antonia an ihm vorbeigehen konnte, vertrat er ihr den Weg und sagte: „Guten Morgen, meine Liebe. Ich habe dich beim Frühstück vermisst.“ An sich hatte er sich noch erkundigen wollen, ob sie gut geschlafen habe, und sie dann zu bitten gedacht, sich mit ihm auszusprechen, doch angesichts ihrer übernächtigten Miene unterließ er es.
„Ich habe verschlafen“, erwiderte sie steif und ermahnte sich, nicht die Fassung zu verlieren. Wenn sie ihm die Gattin sein wollte, die er sich wünschte, musste sie selbst in einem solchen Augenblick Haltung zeigen. „Ich hoffe, Sie fühlen sich wohl, Sir?“, fragte sie höflich.
„Einigermaßen“, antwortete er knapp. „Es wäre mir lieb, wenn du einen Moment Zeit für mich hättest, meine Liebe.“
Überrascht durch die in weichem Ton vorgebrachte Bitte schaute Antonia Philip an. Die Besorgnis, die aus seinen Augen sprach, veranlasste sie, das Gesicht abzuwenden. „Ich bin auf dem Weg in den Salon, um Briefe zu schreiben“, sagte sie unbehaglich. „Leider habe ich meine Korrespondenz sehr vernachlässigt. Es gibt in Yorkshire viele Damen, denen ich Dank schuldig bin.“ Sie wollte keinen abweisenden Eindruck erwecken, doch die Vorstellung, mit Philip allein sein zu sollen, war ihr zuwider. „Ich habe die Beantwortung der Briefe schon viel zu lange aufgeschoben“, fuhr sie fort, ohne ihn anzusehen. „Falls ich meine Post bis zum frühen Nachmittag erledigt habe, können die Briefe von Carring aufgegeben werden.“
„Er kann sie mir auf den Schreibtisch legen“, erwiderte Philip. „Ich sorge dann dafür, dass sie weitergeleitet werden.“
„Danke“, sagte Antonia und neigte leicht den Kopf. „Und nun entschuldigen Sie mich bitte, damit ich mich meiner Korrespondenz widmen kann.“
„Können wir später, wenn du mit dem Schreiben fertig bist, einen Spaziergang um den Platz machen?“
Antonia war unschlüssig, wie sie sich verhalten solle. Die Aussicht auf einen Spaziergang an der frischen Luft war verlockend, doch die Vorstellung, dass sie dann wahrscheinlich steif und schweigend neben Philip um den Platz gehen würde, behagte ihr nicht. „Meine Tante und ich sind bei Lady Cathie zum Tee eingeladen“, erklärte sie. „Anschließend wollen wir zu Mrs Melcome.“
Philip wusste, dass Antonia Ausflüchte gemacht hatte. „In diesem Fall sehe ich dich heute Abend, meine Liebe“, erwiderte er und verneigte sich knapp.
Antonia hatte die Verabredungen für den Abend abgesagt, nahm unter dem Vorwand, an starken Kopfschmerzen zu leiden, nicht am Dinner teil und ließ und sich stattdessen das Essen in ihrem Boudoir servieren.
Gedankenverloren saß Philip am Kopfende der Tafel und starrte auf den neben ihm stehenden leeren Stuhl. Am anderen Ende des Tisches unterhielten sich die Stiefmutter und ihr Neffe.
„Ich muss sagen, dass ich nicht viel von neumodischen Lebensauffassungen halte“, bemerkte Henrietta, „aber andererseits kann ich Lady Ticehurst nicht zustimmen. Bei Mr Fortescue gibt es doch nichts Fragwürdiges, oder doch?“
„Nicht, dass ich wüsste“, antwortete Geoffrey stirnrunzelnd. „Ich finde, er
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