Historical Lords & Ladies Band 39
jedoch, die Geduld dazu nicht mehr zu haben. Er befürchtete, die unsichtbare Linie zu überschreiten, die er für sich selbst gezogen hatte. Natürlich war er nicht abgeneigt, Antonia zu verführen, vorausgesetzt, dass sie danach unverzüglich heiraten würden. Aber der Gedanke, sie in London zu verführen, solange sie noch unter seinem Schutz stand, behagte ihm nicht. Das widersprach seinem Ehrgefühl.
Bewundernd beobachtete er sie, während sie mit Ashby tanzte. Er war sich ihrer jetzt sicher, ihrer Zuneigung, ihrer Treue und ihres Wunsches, seine Gattin zu werden. Unwillkürlich fragte er sich, warum er sich dann damit quälte, untätig herumzustehen und ihr nur zuzuschauen.
Niemand, der sie sah, konnte Zweifel an ihrer Selbstsicherheit haben. Sollte sie jemanden benötigen, waren ihre Tante und ihr Bruder da, der sich bestimmt irgendwo in der Menschenmenge mit Miss Dalling, Hammersley und Mr Fortescue unterhielt.
Die Musik klang aus, und Philip warf einen Blick in die Runde. Es gab keinen Grund, warum er nicht den Raum verlassen sollte. Antonia brauchte ihn nicht. Er hingegen konnte die Zeit nutzen, um sich mit dem dringenden Problem zu befassen, wie er Antonias beabsichtigte Verführung hinausschieben könne.
In Anbetracht der Stärke seiner Empfindungen für Antonia und ihrer leidenschaftlichen Erwiderung seiner Gefühle war das jedoch eine immer unerträglicher werdende Zumutung.
Antonia lachte Ashby an und ließ dann suchend den Blick durch den Raum schweifen. Sie sah Philip den Saal durch den Haupteingang verlassen und nahm an, er wolle frische Luft schnappen. Selbstsicher plauderte sie mit Ashby und den anderen Herren, die sich bei ihr einfanden, dachte indes dauernd an Philip. Nach einigen Minuten fand sie jedoch, es gäbe keinen Grund, warum auch sie nicht den Ballsaal verlassen konnte, um an die frische Luft zu gehen. Wegen des ungemütlichen Wetters waren die auf den Altan führenden Türen geschlossen. Die Wärme im Ballsaal wurde langsam unerträglich.
„Bitte, entschuldigen Sie mich, Sir“, wandte sie sich an Ashby. „Ich muss zu meiner Tante.“ Da diese sich im Kreis um die verwitwete Marchioness of Hammersley befand, überraschte es Antonia nicht, dass keiner ihrer Kavaliere sich erbot, sie zu begleiten.
Sie zwängte sich durch die Gäste und schlug zunächst die Richtung zu ihrer Tante ein, hielt dann jedoch auf die ins obere Vestibül führende Tür des Ballsaales zu.
Philip befand sich allein in der Bibliothek, ging langsam auf und ab und dachte über das bisher nicht vorausgesehene Problem nach, vor das er sich plötzlich gestellt hat. Plötzlich hörte er hinter sich die Tür aufgehen, Stoff rascheln und dann das Klicken des einschnappenden Schlosses. In der Annahme, Antonia sei hereingekommen, drehte er sich erwartungsvoll um und sah zu seinem Bedauern Lady Ardale neben dem Sofa stehen.
„Guten Abend, Sir“, sagte sie lächelnd.
Jeder Zweifel, sie sei durch Zufall hereingekommen, schwand durch die Art, wie sie ihn begrüßt hatte. Sie war die personifizierte Verführung, eine ungewöhnlich gut aussehende Frau mit üppigen Rundungen, die ein hauchdünnes, die Reize kaum verhüllendes weißes Chemisenkleid trug.
Den Blick fest auf ihn gerichtet, näherte sie sich ihm.
Wider Willen empfand er eine gewisse Faszination, die wohl jeder verspürt hätte, der plötzlich etwas vor Augen hatte, das er nur aus Beschreibungen kannte. Natürlich hatte man ihm von Lady Ardale berichtet. In sinnlicher Hinsicht war sie, wie es hieß, unersättlich und hatte so manchen Mann bis an den Rand der Erschöpfung getrieben. Da ihr Gatte darauf bestand, dass sie Diskretion walten ließ, erkor sie sich nur verheiratete Männer zum Opfer. Bis jetzt hatte Philip sich daher vor ihr sicher gewähnt.
„Sie waren ausgesprochen gerissen, Sir“, sagte sie und blieb vor ihm stehen. „Es war sehr klug, sich eine entfernte Verwandte zu suchen, die zwar aus guter Familie stammt, aber keine Ahnung von den Sitten und Gebräuchen des ton hat, eine niedliche, unschuldige Person, die Sie zu Ihrer Gemahlin machen wollen. Das war wirklich sehr geschickt. Und solche Umsicht hat eine Belohnung verdient.“
Hastig streckte Philip die Hand aus und legte sie Lady Ardale auf die Hüfte, um sie daran zu hindern, ihm noch näher zu kommen.
Unbeirrt drängte sie sich an ihn und fuhr fort: „Ich vermute, die Vorbereitungen für die Hochzeit mit Miss Mannering befinden sich bereits in fortgeschrittenem Stadium. Ich
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