Historical My Lady Spezial Band 1 (German Edition)

Erleichterung war allerdings nur von kurzer Dauer, da er sogleich die laute, heitere Stimme des Duke of Carlyne vernahm.
    „Sie sind es!“ Der Duke kam energisch auf ihn zu, während Lucian seinen völlig durchnässten Mantel ablegte, lächelte erfreut und reichte ihm die Hand. „Schön, Sie zu sehen, mein Junge!“
    „Euer Gnaden“, antwortete Lucian leise und nickte knapp, als er die Hand ergriff, noch etwas zögernd, auf die Freude des Dukes zu reagieren.
    Aus gutem Grund. Er und der Duke hatten sich seit fast zwei Jahren nicht mehr gesehen, aber er wusste, dass Carlyne sich sehr bald an die Umstände erinnern würde, unter denen sie sich das letzte Mal getroffen hatten – und dann würde jede Freude aus seinem Gesicht verschwinden. In den Jahren seit jenem Tag war der Duke erheblich gealtert. Er konnte höchstens Ende fünfzig sein, sah aber wesentlich älter aus.
    Ah, da ist es schon, dachte Lucian bedrückt, das Stirnrunzeln. Die schmerzliche Erinnerung war zurückgekehrt. Das Lächeln des Dukes wirkte jetzt gezwungen.
    Lucian hatte bereits viele Begegnungen dieser Art erlebt, seit er vor fast zwei Jahren sein Offizierspatent verkauft hatte. Zu viele. Und er gewöhnte sich nie daran; das Schuldgefühl, das ihn jedes Mal überkam, ließ nicht nach.
    Fünf Jahre in der Armee hatte er überlebt, selbst die blutige Schlacht bei Waterloo – Napoleons letzte Schlacht, als alle schon geglaubt hatten, er sei besiegt, außer Gefecht gesetzt im Exil auf der Insel Elba. Aber der Feldherr war von dort geflohen, hatte sein Heer aufs Neue um sich geschart und einen Angriff gestartet, bei dem viel zu viele von Lucians Männern ihr Leben gelassen hatten.
    Darunter auch Simon Wynter, Marquess of Richfield – der geliebte und einzige Sohn und Erbe des Duke of Carlyne.
    Lucian erinnerte sich nur zu gut an die unglückselige Reise zum Landsitz des Herzogs in Worcestershire, die er unternommen hatte, um dem Duke und der Duchess sein Beileid zu Simons Tod auszusprechen. Und es war nicht der einzige Besuch dieser Art gewesen: Er hatte einige Familien seiner gefallenen Freunde aufsuchen müssen, um die traurige Nachricht zu überbringen. Und jedes Mal hatte er einen Ausdruck von Verbitterung auf den Gesichtern der Hinterbliebenen gesehen, sobald ihnen klar geworden war, dass er, Major Lord Lucian St Claire, der zweite von drei Söhnen des verstorbenen neunten Duke of Stourbridge, irgendwie überlebt hatte – während ihr geliebter Gatte, Sohn oder Bruder umgekommen war.
    Er hatte den Familien diesen Gedanken nicht übel genommen. Im Gegenteil – wie oft hatte er selbst, von Albträumen geplagt, sich nicht schon gewünscht, er wäre mit seinen Freunden gefallen!
    Er begann ein unverfängliches Gespräch, um den Duke aus seiner Verlegenheit zu befreien. „Besuchen Sie Freunde in der Gegend, Sir?“
    Dankbar griff der ältere Mann das Thema auf. „Ich habe gerade einige Tage auf dem neuen Gut meines Bruders Darius in Malvern verbracht.“
    „Ich hoffe, es geht ihm gut, Sir?“ Es war nur sieben Monate her, dass er seinen Freund Darius das letzte Mal gesehen hatte. Aber in dieser Zeit war viel geschehen.
    Der Duke setzte eine eher melancholische Miene auf. „Er hält sich.“ Ein kleines Lächeln erschien um seine Mundwinkel. „Manch einer würde sagen, vielleicht ein wenig zu gut.“
    Lucian nickte verständnisvoll. Lord Darius Wynter hatte vor sieben Monaten geheiratet, eine Miss Sophie Belling aus dem Norden Englands. Ihr Vater besaß mehrere Fabriken in der Gegend und war somit leicht imstande gewesen, sein einziges Kind mit einer mehr als großzügigen Mitgift auszustatten. Es war keine Liebesheirat gewesen, von keiner Seite. Miss Belling hatte sich einen Mann mit Titel gewünscht, Darius eine Frau mit Vermögen. Bequemerweise – zumindest für Darius – war Lady Sophie bei einem Jagdunglück nur einen Monat nach der Hochzeit ums Leben gekommen. Darius hatte zwar die Frau verloren, aber ein beachtliches Vermögen gewonnen.
    Seit jeher war er ein Spieler und Gauner gewesen. Seine verschwenderische Lebensweise hatte dazu geführt, dass das Vermögen, das sein Vater ihm hinterlassen hatte, schnell aufgebraucht war und Darius sich somit gezwungen sah, sich nach einer reichen Erbin umzusehen. Er hatte sogar, erinnerte Lucian sich leicht amüsiert, am Ende der vorigen Saison um die Hand seiner Schwester Arabella angehalten. Allerdings hatte Hawk, sein hochmütiger älterer Bruder und der jetzige Duke of