Historical My Lady Spezial Band 1 (German Edition)
verwundert. In jedem Fall schien ihr Onkel der Meinung zu sein, es wäre nichts, das sich für die Ohren einer unschuldigen jungen Dame wie sie schickte.
Dass Francis allerdings eine derartige Abneigung gegen ihn hegte, ließ Lord Lucian St Claire in ihren Augen nur umso reizvoller erscheinen!
Lucian stand vor dem Salon, in dem die Wynters seine Ankunft zum Dinner erwarteten, und stieß erschöpft den Atem aus. Die dreißig Minuten, seit er sich vom Duke verabschiedet hatte, hatten nicht zur Besserung seiner Laune beigetragen. Die Unterkunft hatte sich als noch schlechter erwiesen, als Carlyne bereits angedeutet hatte. Es gab kaum Möbel in seinem Zimmer und nicht einmal ein Schloss an der Tür, um seine Habe sicher zu verwahren, während er unten speiste.
Aber vielleicht war das ja auch beabsichtigt.
Nicht dass er irgendetwas bei sich hätte, das ein Dieb für wertvoll halten könnte. Sein Kammerdiener war bereits gestern mit dem Großteil des Gepäcks nach Mulberry Hall vorausgereist – auf dem Landsitz seines Bruders Hawk in Gloucestershire hatte Lucian seine Kindheit und Jugend verbracht. Er selbst führte nur das Allernotwendigste bei sich. Wie er dem Duke schon erklärt hatte, fehlte ihm sogar die passende Kleidung für ein Dinner in Damengesellschaft.
Hör auf, das Unvermeidliche länger hinauszuschieben, wies er sich streng zurecht. Da er nichts dagegen tun konnte, war es besser, es so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Immerhin war Margaret Wynter eine angenehme Frau. Francis Wynter fand er zwar unerträglich, aber er könnte ja einfach versuchen, ihn nicht zu beachten. Ebenso wie die andere Dame, die die Duchess als Gesellschafterin mit nach London nahm – wer immer sie auch sein mochte.
Er vernahm Stimmen aus dem Salon, sobald er an die Tür trat. Eine dieser Stimmen war besonders laut. Lucian hörte die Worte, die sie sprach, so deutlich, als stünde er bereits im Raum.
„Du kannst ja über seine Heldentaten sagen, was du willst, George, aber ich erinnere mich, dass er während unserer Jugendzeit wild und undiszipliniert war. Und seine Jahre in der Armee ändern nichts an der Tatsache, dass St Claire nicht viel mehr als ein Frauenheld ist, seit er wieder in Gesellschaft verkehrt. Deswegen ist er völlig ungeeignet, in die Nähe von Damen wie Grace …“
Grace, wie auch alle anderen Anwesenden, blickte hastig zur Tür, als diese leise aufgestoßen wurde. Ein ihr unbekannter Gentleman betrat gemächlichen Schrittes den Salon.
Und was für ein Gentleman!
Grace hatte noch nie einen so hochgewachsenen, so modisch gekleideten und so aufregend attraktiven Mann gesehen wie Lord Lucian St Claire. Denn es konnte sich um niemand anderen als den Mann handeln, den Francis gerade noch einen Frauenhelden genannt hatte.
Ihr stockte der Atem, als sie seinem Blick begegnete. Sie hätte sein Gesicht stundenlang betrachten können – das kantige Kinn, die zu einem spöttischen Lächeln verzogenen sinnlichen Lippen, die gerade Nase unter den dunkelsten, durchdringendsten Augen, die sie sich vorstellen konnte!
Er hob hochmütig die Augenbrauen, und sie senkte hastig den Blick – doch nicht bevor sie feststellte, dass sein etwas zu langes, leicht welliges Haar fast so dunkel war wie seine schwarz anmutenden Augen.
„Ich scheine Ihre Unterhaltung unterbrochen zu haben, Wynter“, wandte er sich mit leiser, herausfordernder Stimme an Francis. „Was meinten Sie eben?“
Grace spürte, wie es ihr eiskalt über den Rücken lief, und erkannte an der Art, wie Francis errötete, dass auch er sich der Gefahr bewusst war, die diesen Mann umgab. Lord Lucian St Claire musste als Offizier im Krieg seinen Männern sehr viel Respekt eingeflößt haben.
Francis’ Lächeln war eindeutig gezwungen. „Nichts von Bedeutung, St Claire“, lenkte er ein. „Sie kennen doch sicher meine Schwägerin, die Duchess of Carlyne?“, fügte er höflich hinzu.
„Euer Gnaden.“ Lucian St Claire nahm die Hand der Duchess und führte sie an die Lippen.
„Und dies ist Carlynes Mündel, Miss Grace Hetherington“, fuhr Francis fort, wobei er sich neben Grace stellte und sie in einer besitzergreifenden Geste am Ellbogen fasste.
Eine Geste, an der Grace entschieden Anstoß nahm. Also entfernte sie sich, nachdem sie sich erhoben und vor Lord Lucian geknickst hatte, mit einem demonstrativen Schritt von Francis.
Er nahm sich wirklich zu viel heraus. Es wäre die Aufgabe des Dukes als Gastgeber dieses Abends gewesen,
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