Historical My Lady Spezial Band 1 (German Edition)
heimsuchten.
Grace erwachte bestürzt, ohne zu wissen, warum sie aus dem Schlaf geschreckt war, oder auch nur, wo sie sich befand. Erst nach einigen Augenblicken erinnerte sie sich an die Reise mit ihrer Tante, ihrem Onkel und dessen Bruder Francis, der auf seinem schwarzen Jagdpferd vor der Kutsche hergeritten war. Aus dem Grund hatte er auch nicht das beschädigte Rad bemerkt, das sie schließlich dazu gezwungen hatte, ihre Reise zu unterbrechen und in dieser recht unbequemen Herberge unterzukommen.
Und hier war sie dann Lord Lucian St Claire begegnet.
Grace scheute davor zurück, wieder an ihn zu denken nach den beschämend sinnlichen Gefühlen, die der Gedanke an ihn in ihr hervorgerufen hatte. Stattdessen versuchte sie herauszufinden, weswegen sie so plötzlich aufgewacht war.
Jemand war bei ihr im Schlafzimmer!
Die Erkenntnis, dass sie nicht allein war, dass irgendjemand in ihr Zimmer eingedrungen war und leise vor sich hinfluchte, wann immer er in der Dunkelheit gegen etwas stieß, ließ Grace erstarren.
Wer mochte das sein?
Ihre Tante vielleicht, die ihr sagen wollte, dass Onkel Georges Zustand sich verschlechtert hatte? Aber nein, ihre Tante hätte an die Tür geklopft, bevor sie hereingekommen wäre, und sie hätte eine Kerze dabei gehabt, um nicht im Dunkeln herumstolpern zu müssen.
Also war der Eindringling sehr wahrscheinlich ein Fremder.
Womöglich ein Dieb?
Andererseits war es doch wohl unwahrscheinlich, dass die einfache Miss Grace Hetherington etwas von größerem Wert in ihrem Zimmer aufbewahrte als die übrigen Gäste der Herberge – unter ihnen ein Duke, eine Duchess und zwei Gentlemen von ebenfalls hohem Rang.
Es sei denn, es ging um sie persönlich …
Grace stockte der Atem vor Entsetzen, als ihr aufging, der Eindringling könnte es vielleicht auf ihre Tugend abgesehen haben.
Fieberhaft überlegte sie, wie sie mit der Situation fertig werden sollte. Sie könnte natürlich einfach um Hilfe rufen. Mindestens vier Menschen würden herbeieilen – ihre Tante, ihr Onkel, Lord Francis Wynter und Lord Lucian St Claire. Aber gleichzeitig würde sie den Eindringling alarmieren und ihm Zeit lassen, zu fliehen und seine Untaten an einer anderen Dame zu versuchen, die vielleicht weniger unerschrocken war als sie. Nein, sie würde nicht rufen. Stattdessen würde sie den Unhold selbst stellen, bevor sie ihren Onkel und ihre Tante zu Hilfe rief.
Langsam und lautlos schlüpfte sie unter der Decke hervor und griff nach dem leeren Wasserkrug auf dem Tisch.
Sie überrumpelte den Fremden völlig, als sie den Krug auf seinem Kopf zerschmetterte. Sofort brach der Mann zusammen und blieb regungslos liegen.
Mit heftig zitternden Händen machte Grace sich daran, ihre Kerze wieder anzuzünden, doch der Zündstein wollte und wollte nicht anschlagen. Erst nach mehreren Versuchen flammte der Docht endlich auf. Grace hielt die Kerze hoch und drehte sich zu dem Eindringling um.
Ungläubig schnappte sie nach Luft: Lord Lucian St Claire war es, der da bewusstlos – und völlig nackt! – auf dem Boden ihres Schlafzimmers lag!
3. KAPITEL
A ls er wieder zu sich kam, war Lucians erster Gedanke, dass er offenbar den schlimmsten Kater seines Lebens durchmachte. Was seltsam war, da er trotz der Mengen an Brandy, die er jeden Abend zu sich nahm, nur selten, wenn überhaupt, am nächsten Morgen an den Folgen zu leiden pflegte.
Das Pochen allerdings, das er heute Morgen in seinem Kopf verspürte, als würden ein Dutzend winzige Männchen darin den Hammer schwingen, war schlimmer als alles, was er je zuvor erlebt hatte oder jemals wieder erleben wollte. Er stöhnte schmerzhaft auf, als er versuchte, den Kopf vom Kissen zu heben. Die winzigen Hämmer schlugen noch heftiger zu.
„Sie sind wach!“
Lucian sank wieder zurück und erstarrte. Er war sicher, dass er diese heisere, verführerische Stimme wiedererkannte, jedoch ebenso sicher, dass Miss Grace Hetherington sich auf keinen Fall bei ihm in seinem Schlafzimmer aufhalten dürfte!
Benommen kniff er die Augen zusammen. „Bitte sagen Sie mir, dass meine Fantasie mir einen Streich spielt.“
„Nein, Mylord, ich fürchte, es ist nur allzu wahr“, hörte er Grace Hetherington äußerst trocken sagen.
Lucian öffnete abrupt die Augen und wandte sich entschlossen in die Richtung, aus der die Stimme kam, ohne auf das Hämmern in seinem Kopf zu achten. Vorwurfsvoll fasste er Grace Hetherington ins Auge, die auf einem Stuhl neben seinem Bett saß und
Weitere Kostenlose Bücher