Historical My Lady Spezial Band 1 (German Edition)
ziehen wird.“
Welche Frechheit! Lucian erinnerte sich nicht, wann er das letzte Mal solche Wut empfunden hatte. Jedenfalls nicht, wenn es um eine Frau gegangen war. „Gewiss ist es aber doch Miss Hetherington, die Ihren Antrag in Betracht ziehen muss, nicht wahr?“ Nach allem, was er heute Abend beobachtet hatte, war Lucian sicher, dass sie nicht einmal daran dachte, Francis Wynter zu heiraten.
Sicher, er wäre keine schlechte Partie für ein Mädchen, das offenbar von einfachem Landadel abstammte. Aber Lucian bezweifelte, dass sie die Sache in diesem Licht sehen würde.
Natürlich ging es ihn überhaupt nichts an, welchen Mann sie zu ehelichen gedachte. Es wäre nur sehr schade, wenn ein so lebhaftes, originelles Geschöpf von einem Mann wie Francis Wynter unterdrückt würde. Ebenso schade wie die Vorstellung, ihre Schönheit würde nur diesem Ekel allein gehören. Lucian dachte an die bemerkenswerten grauen Augen, den sinnlichen Mund, die zarte Haut und das seidenweiche dunkle Haar, das ihr, wenn sie es offen trug, zweifellos in langen Locken bis auf die Taille herabfallen würde.
Francis hob die Augenbrauen. „Grace wird sich selbstverständlich bei ihrer Wahl eines Gatten von meinem Bruder und seiner Frau leiten lassen. Und eine Ehe zwischen uns beiden wäre mehr als angemessen.“
Für dich vielleicht, du Aufschneider, dachte Lucian und unterdrückte ein verächtliches Lächeln. „Dann wünsche ich Ihnen viel Glück bei Ihrem Bestreben, Wynter“, sagte er gelassen. „Reichen Sie mir doch bitte die Karaffe“, fügte er knapp hinzu. Wenn er schon die Gesellschaft dieses Mannes ertragen musste, konnte er genauso gut jetzt gleich beginnen, sich zu betrinken. Dann wäre er vielleicht zu benebelt, um Anstoß an dem nehmen, was der Hornochse sagte.
„Glaubst du nicht, wir sollten vielleicht einen Arzt rufen, Tante?“ Grace betrachtete besorgt ihren Onkel, der inzwischen mit geschlossenen Augen auf dem Bett lag und sogar noch blasser war als vorhin.
„Carlyne will nichts davon hören.“ Auch ihre Tante schien zutiefst beunruhigt, was nicht verwunderlich war, da Anfälle dieser angeblichen Magenverstimmung sich in den letzten Monaten häuften.
„Sollten wir nicht zumindest die Meinung eines anderen Arztes einholen?“ Grace wusste, ihr Onkel hielt nichts auf den Arzt, der bei seinem letzten Anfall nach Winton Hall geholt worden war.
„Ich wage nicht, mich seinem ausdrücklichen Wunsch entgegenzustellen, Kind.“ Ihre Tante lächelte schwach. „Am besten warten wir eine Weile und sehen, ob es nicht bald vorbeigeht, so wie die letzten Male. Du schläfst ja gleich im anliegenden Zimmer, Grace. Sei sicher, dass ich dich rufen werde, falls ich dich brauche“, fügte die Duchess beruhigend hinzu, als sie Grace zögern sah.
„Ja, bitte tu das. Schließlich ist ja Lord Wynter hier … und Lord St Claire … falls wir jemanden brauchen sollten.“
Sie spürte, wie sie leicht errötete, als sie an ihr Gespräch mit Lucian St Claire dachte. Er war überhaupt nicht so gewesen, wie sie ihn sich nach Francis’ Beschreibung vorgestellt hatte. Natürlich sah er sehr gut aus, wie es wohl von einem Verführer zu erwarten war, und er war hochmütig und spöttisch gewesen, während er mit ihr gesprochen hatte. Andererseits hatte er weder versucht, vertraulich zu werden, noch hatte er offen mit ihr geflirtet. Und außerdem kam er mit seiner kräftigen, sportlichen Erscheinung in nichts der Vorstellung entgegen, die sie von einem ausschweifenden Lebemann hatte. Vielmehr hatte Grace ihn kühl und sogar abweisend gefunden.
Während des Mahls hatte sie ihn oft unter gesenkten Lidern beobachtet und war zu dem Schluss gekommen, dass er nicht der verdorbene Frauenheld sein konnte, als den Francis ihn hinstellte.
Seine Zuneigung für ihre Tante und ihren Onkel war echt, da war sie sicher. Ebenso echt wie seine Verachtung für Francis. Und da Grace auch in dieser Hinsicht völlig seine Meinung teilte, konnte sie beim besten Willen keinen Fehler an ihm entdecken.
Während ihre Zofe ihr dabei half, sich zu Bett zu begeben, ertappte Grace sich dabei, dass ihre Gedanken ständig zu Lord Lucian St Claire wanderten.
Sie konnte einfach keinen Fehler an ihm finden – abgesehen vielleicht von seinem übertriebenen Hochmut – und musste zu ihrer Schande zugeben, dass sie den lebhaften Meinungsaustausch mit ihm sehr genossen hatte. Konnte es sein, dass sie ein kleines bisschen in ihn vernarrt war? Grace setzte sich
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