Historical Platin Band 04
die Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben durchging. Sie hatte sich nichts vorzuwerfen, denn den diversen Einkünften standen bei Weitem geringere Zahlungen für Saatkorn, den Ankauf von Weinen, Gewürzen, Honig und Salz gegenüber. Jedes Mal, wenn ihr Gemahl billigend nickte, erfüllte sie das mit Stolz auf ihre Leistung.
Isabeau entging nicht, wie sehr Madame d’Edgemoor sich der Gunst des Gemahls erfreute. Begierig darauf, endlich selbst einige schmeichelhafte Worte zu vernehmen, bemühte sie sich immer wieder, seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Er ging indes nur höflich auf ihre leichtfertigen Äußerungen ein und entfernte sich jedes Mal sehr schnell unter irgendeinem Vorwand.
Nicht gewohnt, derart schnöde behandelt zu werden, strengte sie sich noch mehr an und nutzte eines Nachmittags die Gelegenheit, als sie ihm zufällig unter der Arkade begegnete. „Ich bitte Euch, Sieur, habt die Gefälligkeit, Euch mit mir ein Weilchen im Garten zu ergehen“, forderte sie ihn auf.
„Ich bedauere, Demoiselle, doch ich bin verhindert, da ich meiner Gemahlin versprochen habe, mit ihr eine Fahrt auf das Meer zu unternehmen. Ich möchte dabei sein, falls der Wind auffrischen sollte, damit der Schiffsknecht bei Gefahr nicht genötigt ist, das Segel loszulassen.“
„Wie es Euch beliebt, Sire“, erwiderte Isabeau und schaute ihm wütend hinterher.
Roger verließ den Marstall, wo er den kurzen Wortwechsel gehört hatte, und sagte grinsend: „Eure Bemühungen sind vergeblich, Demoiselle. Monsieur Richard ist viel zu sehr in sein Weib vernarrt.“
Sie hasste es, dass der Baron sie stets spöttisch musterte und ihr dann unweigerlich das Gefühl einflößte, unbeholfen zu sein. „Oh, wie unangenehm für Euch“, entgegnete sie schnippisch.
„Warum?“, wunderte er sich.
„Nun, dann müsst Ihr so lange ausharren, bis er nicht mehr so verliebt in seine Gattin ist, ehe Ihr Euch verstärkt um sie bemüht. Sie ist nicht imstande, mehr denn einem Mann ihre Huld zu gewähren.“
„Ich verbiete Euch, derart lästerlich über sie zu reden, Demoiselle“, sagte Roger schroff. „Nicht jede Frau ist wie Ihr!“
„Ihr seid vermessen, Sieur!“, ereiferte sie sich. „Ausgerechnet Ihr müsst mich zurechtweisen, wiewohl Ihr Madame d’Edgemoor ständig den Hof macht!“
„Ach, das ist doch nur, wie Ihr sehr wohl wisst, schönes Kind, reine Galanterie.“
„Ich bin kein Kind mehr!“, brauste Isabeau auf.
Er ließ den Blick über ihre wohlgeformte Gestalt schweifen, grinste breit und fragte: „Haltet Ihr Euch etwa für ein gestandenes Weib, Demoiselle?“
„Ich bin reifer, denn Ihr denkt!“, antwortete sie erregt. „Jemanden wie Euch, Sire, würde ich gewiss überfordern!“
Auflachend zog er sie an sich und sagte amüsiert: „Diese Behauptung, Dame Isabeau, beweist mir, wie kindlich Ihr noch seid.“
Wütend trat sie ihm gegen das Schienbein, doch er ließ sich nicht beirren, wich mit ihr in den dunklen Stall zurück und raubte ihr einen Kuss.
Sie war so verdutzt, dass sie ihn gewähren ließ, sich ob der Reize, die sie jäh durchfluteten, nicht sträubte. Als er den Kopf hob, rang sie nach Atem, starrte fassungslos den Baron an und suchte nach Worten, um ihn scharf zu tadeln.
Ehe sie etwas äußern konnte, ließ er sie los und sagte schmunzelnd: „Geht und verlustiert Euch mit Euresgleichen, Demoiselle. Ihr seid noch viel zu unerfahren, um mit richtigen Männern zu poussieren.“
Vor Scham spürte sie die Röte in die Wangen steigen, raffte hastig die Röcke und stürmte aus dem Stall.
Am nächsten Tag sollte es auf die Jagd gehen. Immer noch pikiert über Monsieur de Beauchamps’ dreistes Verhalten, gesellte Isabeau sich zu der auf dem Innenhof versammelten Gesellschaft.
Auch Mellisynt fand sich dort ein. Die meisten Herren waren bereits aufgesessen. An langen Seilen hielten Knechte die aufgeregt bellenden Hunde, und die Treiber standen mit Stöcken bereit.
„Möchtet Ihr uns nicht begleiten, Madame?“, fragte Richard sie. „Ich dachte, in meiner Abwesenheit hättet Ihr Euch an das Reiten gewöhnt.“
„Nein, ich bin lieber schwimmen gegangen. Das ist bei Weitem nicht so anstrengend und entschieden amüsanter.“
„Nun, dann werde ich Euch helfen müssen, sicherer im Sattel zu sitzen“, erwiderte Richard lächelnd und schwang sich auf den Hengst. Dann hob er das elfenbeinerne Horn an die Lippen und gab das Zeichen zum Aufbruch.
Die Rossknechte formierten sich, das innere Fallgitter
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