Historical Platin Band 04
„Dabei ist es doch gang und gäbe, dass ein Ehemann sich darüber freut, wenn seine Gemahlin Verehrer hat, die zu entmutigen ihm niemals einfallen würde.“
„Ihr wisst, Baron, dass Mylord Richard nimmer den modischen Sitten bei Hofe wohlgesinnt war und es vermutlich auch nie sein wird“, warf Geoffroir schmunzelnd ein.
Irritiert blickte Mellisynt zwischen den Herren hin und her. Ein jeder von ihnen war ein wackerer Haudegen, hochwüchsig, breitschultrig und kraftvoll. Aber im Charakter unterschieden sie sich stark. Der Grandseigneur war von heiterem, humorvollem Wesen, gelegentlich unbesonnen und aufbrausend. Monsieur de Beauchamps hingegen war glattzüngig und wortgewandt. Der Gatte wiederum hatte fast alles, was sie sich wünschte – ein dem Auge wohlgefälliges Äußeres, verbunden mit einem warmherzigen, leidenschaftlichen, wenngleich gelegentlich harschen Naturell.
„Woher hat der Weg Euch hergeführt?“, erkundigte sich Richard beiläufig.
„Nun, nachdem ich an den Feldzügen in der Grafschaft Toulouse nicht mehr teilnehmen konnte und Seine Gnaden mir gestattet hatte, nach England zu segeln, um den auf Thirsk eingefallenen Sire of Willington zu vertreiben, war ich zunächst in Winchester und komme jetzt aus Richmond. Madame la Duchesse lässt Euch ausrichten, Monseigneur, dass sie Euch sehnlichst in Richmond erwartet.“
Geoffroir verschluckte sich, hustete und erwiderte dann kopfschüttelnd: „ Parbleu ! Ich habe den Fuß erst vor zwei Tagen auf englischen Boden gesetzt und bin ohne längeren Aufenthalt mit Monsieur d’Edgemoor hergeritten. Was will sie schon wieder von mir? Wie ergeht es ihr?“
„Sie ist übler Stimmung“, antwortete Roger achselzuckend, „da sie bald niederkommen wird. Euch grollt sie, weil Ihr nicht da seid, sodass sie ihren Unmut nicht an Euch auslassen kann. Ihr werdet wohl ein weniger überschwängliches Willkommen haben, als Ihr Euch vermutlich vorstellt.“
Richard lachte leise auf.
„Was ist daran so erheiternd, Sire?“, fragte Geoffroir ihn mürrisch. „In absehbarer Zeit wird es Euch gewiss nicht anders ergehen!“
Mellisynt fühlte die Röte in die Wangen steigen.
Erstaunt hob Roger die Brauen und wollte etwas sagen, doch ihr Blick warnte ihn vor einer unbedachten Bemerkung. Er drehte sich um und winkte den hinter ihm stehenden Knappen zu sich. „Gebt mir die Pergamentrolle!“, befahl er.
René verbeugte sich und reichte sie ihm.
Roger gab ihn an Madame d’Edgemoor weiter und sagte erklärend: „Beinahe hätte ich vergessen, Euch das Schreiben Ihrer Durchlaucht auszuhändigen.“
„Danke“, erwiderte sie, löste behutsam die Schnur mit dem daranhängenden Siegel der Herzogin und machte den runden Lederbehälter auf. Sie zog das Pergament heraus, entrollte es und las die Nachricht. Dann hob sie den Kopf und verkündete: „Ihre Hoheit entbietet Euch, mein Gemahl, ihren Gruß und teilt uns mit, sie erwarte mich, auf dass ich in der Stunde ihrer Niederkunft bei ihr sei.“
Voller Hochachtung schaute Richard die Gattin an und erwiderte: „Das freut mich für Euch, Madame. Welch große Ehre!“
Mellisynt war stolz, auch wenn Bruder Eustasius sie vor der Sünde der Hoffart gewarnt hatte.
„Ihr erstaunt mich immer wieder aufs Neue, Madame“, fuhr Richard lächelnd fort. „Ich frage mich, welche Überraschungen ich noch erleben werde.“
Sie wollte ihm antworten, doch der Herzog hatte sich bereits an ihn gewandt und ihm eine Frage gestellt. Voller Freude über die ihr durch dessen Gemahlin zuteil gewordene Anerkennung widmete sie sich wieder dem Mahl.
Eingedenk des Wunsches der Gattin, sich baldigst bei ihm einzufinden, brach Monsieur le Duc am nächsten Morgen mit seinem Gefolge nach Richmond auf.
Mellisynt war froh, dass er nicht mehr auf Edgemoor weilte. Tag für Tag zeigte sie sich dem Gemahl in einem anderen Kleid und schwelgte in der Bewunderung, die er ihr deutlich zu erkennen gab. Auch sein Lob über die kleinen, in der Kammer vorgenommenen Veränderungen machte sie strahlen. Es freute sie, dass er an den vom Truhenmacher schön geschnitzten Kasten Gefallen fand, den vom Kerzenmacher gezogenen, mit Einkerbungen für die verrinnende Zeit versehenen Wachsstöcken, dem vom Flachschmied getriebenen großen Rundleuchter, an den von den Mägden und ihr gewirkten, im Schlafgemach und dem Studierzimmer aufgehängten Wandteppichen.
Eines Vormittags hatte sie sich mit dem Kämmerer bei ihm im Studio eingefunden und zufrieden zugeschaut, wie er
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