Historical Platin Band 04
darüber.
„Fast Mittag.“
Dann hatte sie also recht lange geschlafen, und sie fühlte sich auch zum ersten Mal seit der schrecklichen Nacht des Überfalls auf ihr Dorf gut ausgeruht.
Aus dem Kochtopf stieg ein köstlicher Duft auf. „Was kocht denn da?“
„Fleischsuppe. Möchtest du etwas essen?“
„Gern. Es duftet herrlich.“
Endredi lächelte nicht über das Kompliment, sondern nahm nur eine Holzschüssel zur Hand und füllte sie mit gehaltvoller Suppe, in der dicke Fleischstücke schwammen. Meradyce setzte sich zu dem Mädchen und begann zu essen.
Das Fleischgericht mundete so köstlich, wie es duftete, und das nicht nur, weil Meradyce so hungrig war. Das Fleisch war zart, die Suppe dick, doch nicht klumpig, und alles war perfekt gewürzt.
Endredi stocherte in den glühenden Holzscheiten und schob sie an den Rand des Herdes, damit der Boden des Topfes nicht zu heiß wurde und das Fleisch womöglich anbrannte. Dann setzte sie sich wieder auf ihren Hocker und betrachtete Meradyce.
Diese fand Endredis prüfenden Blick fast ebenso unerträglich wie den ihres Vaters. Trotzdem aß sie scheinbar ungerührt weiter und schaute nur gelegentlich zu ihrer schweigsamen Gefährtin hinüber.
Das Mädchen sah seinem Vater überhaupt nicht ähnlich. Endredi hatte grüne Augen, ihr Haar war eher rot als blond und ihr Gesicht rund, während Einars lang und schmal war. Sie war kein hübsches Kind, doch das konnte sich mit der Zeit und mit den Jahren ja noch ändern.
Endredi trug ein gefälteltes, am Hals mit einem Zugband geschlossenes Unterkleid und darüber zwei breite Stoffbahnen aus nicht allzu feiner Wolle. Die hintere Bahn wurde mit der vorderen in Schulterhöhe vorn mit zwei großen runden Broschen zusammengehalten. Ein solches Gewand hatte Meradyce noch nie gesehen.
Als sie aufgegessen hatte, stellte sie die Holzschale aus der Hand. „Ich danke dir.“
Jetzt lächelte das Mädchen ein wenig, und Meradyce wurde bewusst, dass sie damit ein großes und seltenes Kompliment erhalten hatte; es erfüllte sie mit aufrichtiger Freude.
Endredi ging mit der leeren Holzschale zu einem Wassereimer beim Eingang und spülte sie darin aus. Das Mädchen bewegte sich schnell, gewandt und geschickt.
Neben der Tür sah Meradyce einen aufrecht stehenden Webstuhl; kleine Gewichte hingen an den senkrechten Fäden bis fast zum Boden hinunter, sodass die Weberin ihre Arbeit im Stehen versehen konnte. Das Muster in der entstehenden Stoffbahn bestand aus einem leuchtenden Rot und Blau, und Meradyce erkannte selbst aus der Entfernung, dass hier ein sehr feines und gleichmäßiges Gewebe entstand.
Endredi bemerkte, wohin sie schaute. „Großmutter und ich arbeiten zusammen daran. Sie kann sehr gut weben.“
„Und wer konnte so gut kochen?“, fragte Meradyce und deutete auf den Fleischtopf.
Endredi errötete und senkte verschämt den Blick. „Das war ich.“
„Dann bist du wirklich eine hervorragende Köchin. Dein Vater muss sehr stolz auf dich sein.“
Das Mädchen stand unvermittelt auf und wandte sich ab, doch Meradyce hatte noch seinen plötzlich traurigen Gesichtsausdruck gesehen. Irgendetwas an dem Verhältnis zwischen Vater und Tochter schien nicht zu stimmen, doch Meradyce sagte sich, dass sie das nichts anging.
Eine kleine Weile später setzte sich Endredi wieder und reichte Meradyce ein Trinkhorn voller Met. „Gunnhild hat schon nach dir gefragt. Sie will dir ein Geschenk machen.“
Meradyce lächelte; vielleicht konnte sie dieses Geschenk dazu verwenden, die Schiffspassage zu bezahlen. „Die Niederkunft verlief doch sehr einfach“, sagte sie.
„Gunnhild ist da ganz anderer Meinung“, erklärte Endredi, und die vorübergehende Verlegenheit schien jetzt von ihr abgefallen zu sein.
„Das liegt daran, dass es ihr erstes Kind war. Sie wird die Schmerzen bald vergessen haben.“
„Wirklich?“
„Das hat man mir immer wieder versichert.“
Endredi stocherte scheinbar sinnlos im Feuer herum. „Sterben eigentlich viele Frauen bei der Geburt ihres Kindes?“, fragte sie, ohne Meradyce anzuschauen.
Meradyce überlegte rasch. Von der Mutter des Mädchens hatte sie bis jetzt nichts gesehen. Möglicherweise war sie ja im Kindbett gestorben, was Endredis Frage erklären würde. „Manchmal ja, wenn das Kind nicht richtig im Mutterleib liegt oder wenn die Blutung nicht unterbunden werden kann.“
Endredi erwiderte nichts, und ihr langes rotgoldenes Haar verdeckte ihr Gesicht. Sie stand langsam von ihrem
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