Historical Platin Band 04
verschwunden!“
Das Blut erstarrte in Einars Adern. „Meradyce! Endredi!“, brüllte er, doch die Namen hallten von den Wänden der leeren Häuser wider.
Er lief durch die Siedlung und sah auf die Toten. Die meisten der gefallenen Krieger lagen außerhalb des Tors, doch im Dorf selbst befanden sich die Leichen von Frauen, die offensichtlich im Kampf umgekommen waren.
Von Meradyce, Endredi und Adelar gab es keine Spur, und die übrigen Frauen und Kinder waren ebenfalls verschwunden. Einar packte den Griff seines Schwertes fester. Ich werde dafür sorgen, dass derjenige, der das hier getan hat, sich wünscht, niemals geboren zu sein, schwor er sich im Stillen.
Unterdessen hatten sich die Männer des Packzuges versammelt, und Einar blickte in die entsetzten Gesichter. „Wer sie auch geraubt haben mag, wohin sie auch gebracht wurden – wir werden sie finden!“
„Wer sollte so etwas nur getan haben?“, fragte Hamar fassungslos.
„Sachsen!“
Als Einar sich nach der Stimme umdrehte, sah er den kaum wiederzuerkennenden Ull um die Ecke des Gebäudes taumeln, in dem Björn gearbeitet hatte. Sein Gesicht war durch Blutergüsse entstellt. Mit der rechten Hand hielt er sich seine blutige linke Schulter, und sein linker Arm hing schlaff herunter.
„Das waren Sachsen“, sagte er. „Ich habe sie gehört. Der Sachsenjunge hat ihren Anführer Vater genannt, und ich habe dein Weib bei ihnen gesehen.“
Einar starrte ihn an. „Was soll das heißen – bei ihnen?“ Er hatte diese Frage sehr leise gestellt, doch die Männer, die am nächsten standen, wichen zurück. Niemand wollte dicht bei Einar sein, wenn dieser einen Zornausbruch bekam.
Ull trat näher und starrte Einar aus blutunterlaufenen Augen an. „Ich habe sie selbst gesehen. Sie ging zu dem Anführer, folgte ihm freiwillig, nannte ihn beim Namen …“
„Bei welchem Namen?“
„Kendric.“
„Und Endredi?“
„Die hatte der Sachse.“ Ull schwankte stark und wäre fast zu Boden gestürzt, doch er hielt sich mit der rechten Hand an Einar fest. „Hole sie zurück, Einar. Endredi ist meine Tochter.“
Langsam sank Ull auf die Knie, doch Einar stützte ihn.
„Vergib mir!“, flüsterte der Verwundete.
Einar nickte und winkte dann einen der Umstehenden herbei. „Bringe ihn ins Haus, und versorge seine Wunden, so gut es dir möglich ist.“
Als er den beiden nachschaute, erkannte er, dass es eine Zeit gegeben hatte, zu der er Ull für dessen Geständnis umgebracht haben würde. Doch jetzt konnte er nur an Meradyce und Endredi denken, die sich bei den Sachsen befanden und der Gnade eines Verräters ausgesetzt waren.
„Kennst du diesen Kendric?“, fragte Hamar, dem Einars Gesichtsausdruck aufgefallen war, als Ull diesen Namen genannt hatte.
„Er ist der Vater der Sachsenkinder.“
„Dann wissen wir ja auch, wo sich seine Siedlung befindet.“
Einar lächelte kalt und grausam. „Jawohl.“
Tatendurstig blickte Hamar sofort zum Fjord, und dann stockte ihm der Atem. Sämtliche Schiffe waren beschädigt; die Masten waren gebrochen, die Planken durchlöchert, die Segel fehlten. Einige Schiffe ragten nur noch halb aus dem kalten und ruhigen Wasser.
Einars Blick war dem seines Bruders gefolgt. „Zunächst begraben wir die Toten. Dann richten wir eines der Schiffe wieder her. Und danach greifen wir die Sachsen an.“
Hamar legte eine Hand auf den Arm seines Bruders. „Dein Eheweib – meinst du nicht, sie hat dich …“
„Verraten?“ Lange starrte Einar zu Boden. Dann schaute er wieder auf und schüttelte langsam den Kopf. „Sie ist wegen Endredi und wegen der anderen Frauen und Kinder mitgegangen, so wie sie auch Betha und Adelar nicht hatte aufgeben wollen. Ich weiß das so sicher, als wäre ich selbst dabei gewesen, Hamar.“ Er presste die Lippen zusammen, und seine Miene zeigte nichts als grimmige Entschlossenheit. „Dafür werde ich den Sachsen töten. Falls er Meradyce, Endredi oder jemandem sonst etwas angetan hat, wird er eines langsamen, qualvollen Todes sterben. Dies schwöre ich beim Blute unseres Vaters.“
19. KAPITEL
Meradyce saß mit Endredi und den anderen Gefangenen zusammengekauert im Heck des Sachsenschiffs. Zum zweiten Mal hatte sie jetzt eine Siedlung langsam verschwinden sehen. Diesmal war es Tag und nicht Nacht gewesen, und es hatte keine Flammen der Zerstörung gegeben, sondern nur eine unheimliche Stille. Und diesmal hatte sie das Gefühl, wirklich ihre Heimat zu
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