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Historical Saison Band 06

Historical Saison Band 06

Titel: Historical Saison Band 06 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: JOANNA MAITLAND ELIZABETH ROLLS NICOLA CORNICK
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und Loyalität fremd sein mussten. Er bemühte sich, heuchlerische oder lasterhafte Züge in ihrem Gesicht zu finden. Aber er fand keine. Es war ein freundliches Antlitz mit haselnussbraunen Augen, die dem Betrachter offen entgegenblickten. Auf dem Bildnis war kein Hinweis auf Verderbtheit zu erkennen.
    Die Tür knallte mit voller Wucht zu. „Marcus!“, herrschte Anthony ihn an.
    Marcus schreckte zusammen. Anthony schien außer sich vor Wut. Er bebte am ganzen Körper vor Zorn. Er warf Marcus einen hasserfüllten und, wie ihm schien, angewiderten Blick zu. Dann stapfte er ihm entgegen, riss ihm das Bild aus den erstarrten Fingern und wandte ihm demonstrativ den Rücken zu.
    Marcus war erschüttert. Selten hatte er Anthony derart aufgebracht erlebt. Anthony schien sich sonst stets unter Kontrolle zu haben. Doch als er die Miniatur ergriff, hatten seine Finger gezittert. Und auch jetzt machte er den Eindruck, als kämpfte er gegen übermächtige Gefühle an.
    „Anthony, verzeih mir.“ Marcus trat einen Schritt auf seinen Cousin zu und berührte ihn leicht am Arm. „Ich wollte nicht herumschnüffeln. Ich habe es gefunden, als ich nach …“
    Unwirsch schüttelte Anthony Marcus’ Hand ab. Er drehte sich nicht um. „Ich möchte nicht mit dir darüber reden, was du getan hast oder was du tun wolltest, Marcus. Du hast mein Vertrauen missbraucht. Du kannst bloß von Glück sagen, dass mich mein Familiensinn dazu zwingt, dich nicht zu verraten.“
    Vor Entsetzen verschlug es Marcus die Sprache. Das war doch nicht Anthony, sein Cousin und engster Freund, der da sprach. Er durfte nicht zulassen, dass sich eine solche Kluft zwischen ihnen auftat und noch dazu wegen einer treulosen Frau. Er holte tief Luft, um eine Entschuldigung hervorzubringen.
    Doch es war längst zu spät. Anthony schob die Miniatur in die Innentasche seines Gehrocks und stapfte, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, aus dem Zimmer.

3. KAPITEL
    Amy stützte ihre Ellbogen auf die Knie und ihr Gesicht auf die Hände. Sie hatte einen Entschluss gefasst. Bislang hatte sie nichts herausgefunden, was den Aufwand wert gewesen wäre. Zwar hatte sie diesen unfertigen Brief in Mr Lyndhurst-Flints Zimmer entdeckt, der gab keinerlei Aufschluss über Neds Verbleib.
    Der einzige Raum, der jetzt noch blieb, war das Schlafzimmer des Majors. Die anderen hatte sie alle durchsucht – sogar das Arbeitszimmer und die Bibliothek im Erdgeschoss.
    Sie wechselte die Lage auf der unbequemen dünnen Matratze. Sie wusste, dass sie sich über ihre Unterbringung nicht beschweren konnte. Immerhin hatte sie ein Zimmer für sich allein und noch dazu ein ziemlich geräumiges, mit Blick auf den langen, von Gras gesäumten Reitweg, der nach einer Meile zur nördlichen Pförtnerloge führte. Konnte Ned sich irgendwo in den Wäldern befinden, die entlang dieses Reitwegs lagen? Verletzt? Vielleicht sogar …? Amy erschauderte. Sie konnte doch nicht die ganze Gegend durchsuchen.
    Sie sah sich gezwungen, sich auf das Haus zu konzentrieren. Ein weiteres Mal musste sie in Major Lyndhursts Schlafzimmer zurückkehren, in den Raum, in dem sie den rätselhaften Mitbewohner angetroffen hatte.
    Amy merkte, dass ihr bei der Erinnerung an die Begegnung mit ihm ganz heiß wurde. Das kam natürlich durch die Verlegenheit. Es musste jedenfalls so sein. Sie hatte sich ausgesprochen dumm verhalten. Einfach stehen zu bleiben und zuzulassen, dass er seine Hände um ihre Schultern legte …
    Um Himmels willen, nein! Diese Gedankenspiele waren wahrhaftig nicht der richtige Ansatz, um Ned zu retten.
    Sie schwang die Beine von der Matratze und erhob sich. Ganz automatisch griff sie nach der Brille und glättete ihre Röcke. Sie vergewisserte sich, ein paar passende Bibelsprüche auf Lager zu haben, vorzugsweise aus dem Alten Testament. Amelia Dent sollte die Art von Mensch repräsentieren, die auf das Fegefeuer schwor und die Abtötung des Fleisches für unerlässlich hielt. Fleisch … Sie musste schwer schlucken, weil ihr in diesem Moment ein sehr lebendiges Bild vor Augen trat. Das Bild des nackten Mannes in Major Lyndhursts Schlafzimmer … Wenn er wenigstens fett, alt oder hässlich gewesen wäre. Aber nein, nichts davon war der Fall.
    Und es war möglich, dass er sich nach wie vor dort aufhielt und ihr auflauerte, sobald sie das Zimmer betrat. Eigentlich durfte sie auf gar keinen Fall wieder hingehen.
    Dennoch blieb ihr nichts anderes übrig. Sie hatte keine andere Wahl.
    Zum wiederholten Mal fragte sich

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