Historical Saison Band 06
spielen ein sehr gefährliches Spiel, Miss Devereaux. Was um alles in der Welt hat Sie dazu gebracht?“
Entsetzt starrte Amy auf seinen Rücken. Er wusste, wer sie war! Irgendwie hatte er sie erkannt, obwohl er ihr völlig unbekannt vorkam. In diesem Augenblick schien ihr Ruin besiegelt. Noch dazu war alles vergeblich gewesen! Sie hatte Ned nicht retten können!
Marcus drehte sich ganz langsam um. Er wollte ihr keine Angst einjagen. Ein Blick auf ihr blasses Gesicht zeigte ihm, dass es zu spät war. Sie war bereits zu Tode erschrocken und wirkte, als stünde sie kurz davor, in Ohnmacht zu fallen.
Er nahm den Schreibtischstuhl, stellte ihn hinter ihr ab und schob sie mit sanftem Druck auf die Sitzfläche. „Vergeben Sie mir, Miss Devereaux. Ich wollte Sie nicht erschrecken. Aber offen gestanden ist es seltsam, einer Dame im Hause eines Gentlemans in der Verkleidung einer Zofe zu begegnen. Mit Ihrer außergewöhnlichen Augen- und Haarfarbe musste die Maskerade doch irgendwann auffallen. Und dass dies Ihren gesellschaftlichen Untergang nach sich ziehen würde, war Ihnen doch sicher bewusst.“
Sie ließ ihre zusammengefalteten Hände auf die Knie sinken. Die Fingerknöchel waren weiß. Doch als sie ihn schließlich ansah, lag etwas Herausforderndes in ihren violettblauen Augen. Und auch ihre Stimme klang trotzig. „Ich habe die größte Sorgfalt walten lassen, damit niemand in diesem Haus mein Haar zu Gesicht bekommt, Sir. Wenn Sie mir nicht einfach meine Haube abgenommen hätten …“
„Mir ist Ihr Haar bereits bei unserem letzten Zusammentreffen aufgefallen, Miss Devereaux. Sie erinnern sich doch sicher, dass Ihre Haube ein wenig verrutscht war.“ Beim Gedanken daran versuchte er, ein Lächeln zu unterdrücken. Bis auf die verräterischen Haarsträhnen war sie bei der ersten Begegnung mehr als angemessen gekleidet gewesen. Was man von ihm nicht gerade hätte sagen können.
„Aber woher wissen Sie, wer ich bin? Ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir einander jemals vorgestellt wurden.“
Marcus war froh, dass sie zu ihrer natürlichen Würde zurückgefunden hatte. Außerdem besaß sie Mut. Miss Amy Devereaux war ganz gewiss kein Angsthase. „Das ist leicht zu erklären“, erwiderte er schulterzuckend. „Ich erinnere mich, dass man mich vor ein paar Jahren bei der einen oder anderen Gelegenheit auf Sie hingewiesen hat. Ihre ungewöhnliche Haarfarbe vergisst man nicht so leicht, selbst wenn wir einander nicht persönlich vorgestellt wurden. Wenn ich mich richtig entsinne, war es Ihre erste Saison, nicht wahr?“
Sie erhob sich sofort und stand stocksteif vor ihm. „Wenn Sie mich in London gesehen haben, Sir, muss das sieben Jahre her sein, denn das war meine erste und einzige Saison. Wollen Sir mir schmeicheln, indem Sie behaupten, sich nach so langer Zeit noch an meinen Namen zu erinnern?“
„Nein, Madam. Ich möchte Sie lediglich warnen. Wenn sich sogar ein Mann, der Sie nur flüchtig betrachtet hat, an Ihren Namen erinnern kann, werden andere Männer wohl ebenfalls dazu in der Lage sein. Sie müssen Lyndhurst Chase verlassen, bevor Ihr Ruf vollkommen ruiniert ist.“
„Das kann ich nicht“, erwiderte sie ohne zu zögern und schüttelte kurz, aber energisch den Kopf.
„Warum nicht?“, fragte Marcus aufgebracht.
Sie schwieg und blickte zu Boden.
Er fasste sie fest an den Schultern. „Ich sollte Sie schütteln, bis Ihre Zähne klappern, Madam. Was ist um Himmels willen so wichtig, dass Sie dafür Ihren Ruf und Ihre Zukunft aufs Spiel setzen?“ Ihm kam ein Gedanke. Augenblicklich zog er seine Arme zurück. „Oh, natürlich, das hätte ich mir denken können. Bei Frauen ist es doch immer dasselbe. Sie sind wegen eines Geliebten hier.“
Bevor ihm bewusst wurde, wie sehr er sie beleidigt hatte, traf ihn eine schallende Ohrfeige. Ihr Gesicht war vor Zorn gerötet.
Sie starrten einander wie Feinde an. Dann nahm Marcus die Hände hoch, als wollte er sich ergeben. „Miss Devereaux, verzeihen Sie mir. Das hätte ich nicht sagen dürfen. Ich habe Ihre Züchtigung vollauf verdient.“ Er rieb sich mit einer Hand über die schmerzende Wange und lächelte sie ein wenig schief an. Sie besaß in der Tat eine kräftige Hand. Inzwischen wirkte sie verunsichert. Dass er ihre schlagkräftige Zurechtweisung so rasch akzeptiert hatte, schien sie zu überraschen. Diesen Vorteil musste er nutzen.
„Miss Devereaux, es muss sich um eine enorm wichtige Angelegenheit handeln, wenn Sie dafür ein solches
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