Historical Saison Band 08
den Raum halb durchquert, als er hörte, dass ein weiterer Besucher eintraf. Nicht sonderlich überrascht, erkannte er Amos Rudges Stimme.
Diesmal hielt Stebbings die Tür der Bibliothek weit auf. Offenbar ahnte er, dass es um ein dringliches Problem ging.
„Kommen Sie herein, Mann!“, befahl Philip. „Was haben Sie herausgefunden?“
Rudges kummervolle Miene verhieß nichts Gutes, was sein Bericht bestätigte. „Miss Ashworth war im Pfarrhaus. Aber da lieferte sie nur das Kleiderpaket ab. Dann schaute sie sich einen Wurf Welpen an. Die Besitzerin der Hunde berichtete mir, die junge Dame habe ihr Cottage ein paar Minuten nach zwei verlassen.“
Als Philip die skeptisch gerunzelte Stirn des Dieners bemerkte, fragte er: „Misstrauen Sie der Frau?“
„Nein, Sir, es ist nur …“ Verwirrt kratzte Rudge sich am Kopf. „Ich verstehe nicht, was meine Herrin bewogen hat, sich den hässlichsten Hund aus dem Wurf auszusuchen … Jedenfalls sah die Frau Miss Ashworth nach, bis sie hinter dem Karren eines Kesselflickers am Ende der Gasse verschwand.“
„Sie wollte sicher nach Hause“, warf Charles Bathurst ein. „Denn Ann erklärte mir, sie habe Miss Ashworth zum Lunch oder kurz danach erwartet.“
„Dass sie das Haus überhaupt verlassen hatte, wusste ich gar nicht“, gestand Rudge bedrückt. „Warum hat sie sich nicht von mir begleiten lassen? Oder von ihrer Zofe?“
„Natürlich mache ich Ihnen keine Vorwürfe“, betonte Philip und berührte kurz die Schulter des Dieners. „Niemand kennt Ihre Herrin besser als ich. So eigensinnig verhält sie sich immer. Seit sie ein junges Mädchen war, versuche ich ihr zu erklären, dass sie einen Dienstboten mitnehmen soll, wenn sie ausreitet. Heute hat sie vermutlich darauf verzichtet, weil sie nicht lange wegbleiben wollte.“
„Nun, vielleicht hat sie noch jemand anderen im Dorf besucht“, meinte Charles, von neuer Hoffnung erfüllt, „und darüber die Zeit vergessen.“
„Nein, gewiss nicht“, widersprach Philip. „Beth mag stur sein, aber sie nimmt Rücksicht auf die Gefühle ihrer Mitmenschen. Und sie weiß, Mrs Stride würde sich sorgen, wenn sie sich verspätet … schon gar bei diesem Wetter.“ Nur zögernd sprach er aus, was er befürchtete. „Nachdem sie das Haus der alten Frau verlassen hat, muss etwas geschehen sein, das sie nicht beeinflussen konnte.“ Er wandte sich zu Rudge. „Sie erwähnten einen Kesselflickerkarren?“
Ehe der Diener zu antworten vermochte, wurde lautstark gegen die Haustür gehämmert. In der Halle erklang ein kurzer Wortwechsel, dann trat der Viscount in die Bibliothek, seinen leichenblassen, offenbar verletzten Diener stützend, den er vor Kurzem eingestellt hatte.
„Setzen Sie den Mann da hin, Blackwood.“ Philip wies auf einen Sessel. „Was ist ihm zugestoßen?“
„Clegg wurde in Markham niedergeschlagen, eine Treppe hinabgestoßen und in einen Keller gesperrt.“ Der Major knöpfte seinen Umhang auf, auf dessen Schultern Schneeflocken glitzerten. „Mit der Hilfe einer Metallstange gelang es ihm, das Schloss aufzubrechen und zu fliehen. Er lieh sich ein Pferd vom Doktor und wollte zu mir reiten. Zufällig begegneten wir uns auf der Straße. Sobald ich erfahren hatte, was passiert war, beschloss ich ihn hierherzubringen. Gibt es einen Arzt im Dorf?“
„Ja.“ Philip drehte sich zu seinem Butler um, der auf der Schwelle stehen geblieben war und auf Anweisungen wartete. „Kümmern Sie sich darum.“ Dann ging er zu dem Tisch, auf dem eine Batterie Kristallkaraffen stand. „Zweifellos wird Ihr Diener einen Schluck Brandy zu schätzen wissen, Blackwood.“
„Den werden Sie selber benötigen, wenn Sie hören, was Clegg zu sagen hat“, bemerkte der Major sarkastisch.
„Das ahne ich bereits.“ Dennoch befolgte Philip den Rat nicht, denn er wusste, dass er ab jetzt seinen klaren Verstand brauchen würde. „Nun, Clegg?“ Er reichte dem Verletzten ein Glas Brandy, an dem der Mann dankbar nippte. In sein Gesicht kehrte etwas Farbe zurück. „Hängt Ihr Besuch mit Miss Ashworths Verschwinden zusammen, in das Ihr Freund Murslow verwickelt ist?“
„Mein Freund ist er nicht.“ Zerknirscht senkte Clegg den Kopf. „Klar, ich geb’s zu – ein paar Mal habe ich Schmiere gestanden, wenn er irgendwo eingebrochen ist. Darauf bin ich nicht stolz. Doch ich dachte, ich wär’s ihm schuldig. Als ich in Markham ankam, nahm er mich auf und teile sein Essen mit mir.“ Nun schaute er den Baronet an, der
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