Historical Saison Band 08
der Viscount war, denn er stammelte zögernd: „Äh … ja, das … das nehme ich an …“, ehe er nach einer kurzen Pause in seinem normalen Tonfall fortfuhr: „Ich werde Sie jetzt von den Fesseln befreien, Miss Ashworth, und dann kehren wir in die Zivilisation zurück.“
Beth richtete sich auf und rückte von dem Stützpfeiler weg, damit Blackwood die Stricke durchschneiden konnte, die ihre Handgelenke umschlangen. Zuvor hatte sie sich mit einem langen Blick vergewissert, dass es auch wirklich der Viscount war, der neben ihr kniete, denn er sah verändert aus. Anscheinend hatte er einen Barbier aufgesucht und seine lange schwarze Mähne zu einer modischen Frisur kürzen lassen. Nun glich er, ebenso wie Philip, dem Idealbild eines vornehmen, wohlhabenden Aristokraten.
Doch sie widerstand der Versuchung, ihn wegen seiner verbesserten äußeren Erscheinung zu necken, und konzentrierte sich stattdessen auf ihre gegenwärtige Situation. „Wie um alles in der Welt haben Sie mich gefunden? Ich weiß nicht, wo ich bin.“
„In einem Stall am Rand des Dorfs Little Crompton, an der Straße nach Markham. Das Gebäude gehört einem Freund von Murslow. Aber der Mann hat es einem Farmer vermietet.“
Beth hob verblüfft die Brauen. „Sie wussten, dass ich von Murslow entführt wurde? Bevor ich ihn erwähnte? Wie haben Sie das herausgefunden?“
„Das erzähle ich Ihnen, wenn wir zurückreiten“, erwiderte Blackwood und kämpfte mit einem besonders hartnäckigen Knoten. „Allzu viel Zeit bleibt uns nicht, denn das Wetter …“
„Noch viel weniger Zeit, als Sie glauben, Mylord“, zischte eine Stimme hinter ihm. In der nächsten Sekunde stöhnte der Viscount auf und sank vornüber.
Entsetzt wandte Beth sich um und starrte in das hässliche Gesicht ihres Entführers, der selbstgefällig grinste.
„Also hat er höchstpersönlich nach Ihnen gesucht. Das wundert mich nicht. So, wie er Sie ansieht, wusste ich’s – Seine Lordschaft ist bis über beide Ohren in Sie verliebt. Immerhin erspart mir das die Mühe, jemanden aufzustöbern, der einen Brief an ihn schreibt.“
Weder der Viscount noch Beth hatten die Ankunft des Schurken bemerkt, denn der heulende Wind übertönte alle Geräusche.
Umso sonderbarer fand sie Murslows Worte. Sie wies mit dem Kopf auf die reglose Gestalt, die neben ihr lag. „Was glauben Sie, wer das ist?“
„Natürlich Stavely“, fauchte er.
„So ungern ich Sie enttäusche – das ist er nicht.“
„Äh?“ Offensichtlich nahm Murslow an, dass sie log. Unsanft drehte er den Viscount mit einer Stiefelspitze herum und musterte sein Gesicht. Dann fluchte er, machte auf dem Absatz kehrt und stampfte aus dem Stall.
Ein paar Minuten später kam er zurück, in einer Hand eine brennende Laterne, in der anderen einen zusammengerollten Strick. Auf seinem Hut und seinem Mantel glitzerten Schneeflocken.
„Wer ist der Kerl, Miss?“, fragte er und zeigte auf den immer noch Bewusstlosen.
„Viscount Blackwood.“ Beth sah keinen Grund, Murslow die Identität ihres Beinaheretters zu verschweigen. „Ein Gentleman, der weder vergessen noch verzeihen wird, dass Sie ihn niedergeschlagen haben“, ergänzte sie voller Genugtuung und hoffte inständig, dass der Major nicht ernsthaft verletzt war.
„Ah“, murmelte Murslow, „der feine Pinkel, für den Tom Clegg jetzt arbeitet. Der hat mir’s erzählt.“
Unbehaglich beobachtete Beth, wie er den Viscount an Händen und Füßen fesselte. Was sollte sie von der letzten Bemerkung halten? Hatte der ehemalige Gefreite sich an ihrer Entführung beteiligt? Das konnte und wollte sie nicht glauben. „Wusste Mr Clegg von Ihrem Plan, mich zu verschleppen?“
Murslow furchte missgelaunt die Stirn. „Erst mal brachte ich Sie zum Haus des jungen Arztes, denn ich dachte, dort würde ich Clegg treffen. Manchmal erledigt er noch was für den Doktor, obwohl er inzwischen der Diener des Viscounts ist. Ich wollte, dass Clegg einen Brief an Stavely schreibt. Machte er aber nicht, deshalb sperrte ich ihn im Keller ein. Da muss er ausgebrochen sein und mich bei seinem neuen Herrn verpfiffen haben. Sonst hätte der Sie nicht hier aufgestöbert.“
Endlich erkannte Beth, worum es ging. „Sie wollen von Sir Philip Lösegeld für mich verlangen?“
„Will ich“, knurrte Murslow. „Stavely ist mir was schuldig.“
„Gar nichts ist er Ihnen schuldig“, widersprach Beth entschieden, mittlerweile mehr wütend als verängstigt. „Dass Sie den Sattelgurt
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