Historical Saison Band 15
Drachen und die Schnur, die ihn hielt, zerriss.
„Oh nein!“ Wyns Augen füllten sich mit Tränen, als er sein Spielzeug davonfliegen sah, weit fort zur Nachbarsinsel St Martin’s.
„Sei nicht traurig. Wir können einen neuen Drachen bauen, wann immer du willst.“ Bennett wickelte den Rest der Schnur um die Spule. Aber seine Worte schienen Wyn nicht zu trösten.
Caroline ging vor ihm in die Knie und umarmte ihn. „Schon gut, mein Liebling. Ich weiß, es ist traurig, etwas zu verlieren, das einem so viel Freude bereitet hat. Ich frage mich, wo dein Drachen wohl herunterkommen wird. In Cornwall vielleicht, oder glaubst du, er könnte sogar bis ganz nach Wales fliegen? Ein Junge oder ein Mädchen dort findet ihn vielleicht irgendwo in einem Baum, und sie werden sich fragen, woher er gekommen ist. Womöglich flicken sie seine Risse und binden ihn an eine neue Schnur.“
Jetzt schien Wyn nicht mehr so aufgebracht zu sein über seinen verlorenen Drachen, vielmehr lauschte er seiner Mutter fasziniert. Bennett musste sie für ihre Fähigkeit bewundern, den Kleinen mit ihrer Fantasie abzulenken. Wie hatte er nur all diese Jahre ihren vielen Fähigkeiten gegenüber so blind sein können?
„Sobald der Drachen seinen Spaß in Wales gehabt hat“, fuhr sie fort, erhob sich und nahm den Kleinen bei der Hand, „reißt er sich vielleicht wieder los und fliegt weiter, nach …“
„Frankreich!“, schlug Wyn vor. „Papa hat es mir einmal im Atlas gezeigt. Ich möchte eines Tages dorthin reisen.“
„Also nach Frankreich.“ Caroline versuchte, Bennetts Blick auf sich zu ziehen, und schaute danach vielsagend auf Wyns freie Hand. Offenbar war die Zeit gekommen, seine nächste Lektion als liebender Vater in die Tat umzusetzen. „Und während er durch die Luft Englands saust und flattert, werden die Leute nach oben schauen und sich fragen, ob es ein kleines Stückchen von der Sonne ist, das abgebrochen ist und auf die Erde zu taumelt.“
Während sie ihre Geschichte weiterspann, reichte Bennett seinem Sohn die Hand. Der Kleine lächelte zu ihm auf und ergriff sie eifrig. Und so kehrten sie gemeinsam den Hügel hinunter nach Hause zurück. Die harmonische Familienstimmung hielt an, bis sie ankamen und Wyn mitteilten, dass er ein Nickerchen machen sollte.
„Aber ich bin nicht müde“, behauptete er, obwohl es ganz offensichtlich war, dass er schwindelte. „Bitte Mama, kannst du mich nicht zum Strand hinunterbringen?“
Zu Bennetts Überraschung traf Caroline die Entscheidung, die auch er gewählt hätte. „Papa hat recht, Liebling. Du brauchst Ruhe, damit du nicht wieder krank wirst. Vielleicht können wir ja zum Strand, wenn du aufwachst.“
Angesichts der geschlossenen Front seiner Eltern gab Wyn widerwillig nach.
Wyn erwachte später in sehr viel besserer Laune, also brachten sie ihn zum Strand, wo sie mehrere Stunden genauso fröhlich und ausgelassen verbrachten wie am Morgen beim Drachensteigen. Während sie eine kunstvolle Sandburg bauten, lachte und scherzte Caroline auf eine Weise, wie Bennett sie noch nie erlebt hatte. Es war nicht die künstliche Hochstimmung, die sie auf Gesellschaften und Lustgärten an den Tag legte, sondern eine natürliche Überschwänglichkeit, die ihn viel mehr anzog, als für seinen inneren Frieden gut war.
Erst als sie sich auf den Heimweg machten, bemerkte Caroline, dass sie den Rock ihres Kleides völlig ruiniert hatte. „Parker wird sich bestimmt beschweren, aber das ist mir egal. Es wäre mir hundert schmutzige Kleider wert, Wyn so glücklich plappern zu hören und …“
„Und?“, ermutigte Bennett sie, als sie innehielt.
„Und dass ich selbst auch wieder wie ein Kind spielen konnte“, antwortete sie nach kurzem Zögern, welches ihm zeigte, dass sie eigentlich etwas ganz anderes hatte sagen wollen. „Meine Eltern gingen oft mit mir ans Meer, als ich noch sehr klein war. Ich erinnere mich an unsere Spiele, an Mamas Geschichten und ihr mitreißendes Lachen. Nach dem Tod meiner Mutter stellte mein Vater eine Reihe strenger Gouvernanten ein, die sich um mich kümmern sollten. Sie besaßen alle ein ausgeprägtes Talent dafür, einem jede Freude zu verderben.“
Caroline schien aufzufallen, dass sie mehr als geplant preisgegeben hatte, denn sie beeilte sich, das Thema zu wechseln. „Die Flut setzt ein. Wahrscheinlich wird die Sandburg schon bald fortgespült werden.“
Der wehmütige Ton in ihrer Stimme ließ Bennett wünschen, er könnte ihr Trost spenden. Aber er
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